Reise, Reise
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Wenn die Nichte des Teufels auf Rockin’ Rabbit trifft

Eine Frau steht bei der Luftgitarren-Weltmeisterschaft in Finnland auf der Bühne

Vir­tu­ose Gitarrist*innen? Da wer­den Sie jet­zt an Mark Knopfler denken oder Jen­nifer Bat­ten, an Al Di Meo­la oder John McLaugh­lin, an El Hefe oder Dave Mur­ray. Aber sagen Ihnen Eric »Mean« Melin« Melin oder Emmanuelle »Miss Issipy« Stemp­ni­akows­ki etwas? Oder Doug »The Thun­der« Stroock und Aline »The Devil’s Niece« West­phal, Altair »Rockin’ Rab­bit« Kassy­mov oder Vladle­na »Ivana Rock« Kamin­skaya? Sie alle sind Stars und vir­tu­ose Gitarrist*innen — unter ihnen sind sog­ar waschechte Weltmeister*innen. Aber eins haben die meis­ten von ihnen nicht: eine Gitarre.

Doch wenn heute im finnis­chen Oulu das 21. »Oulu Music Video Fes­ti­val« begin­nt, heißt das nicht nur fünf Tage großar­tiges »Kino« mit Sparten wie »Act Like You’re Play­ing And Look Cool« oder »WTF — Wel­come To Fin­land«. Par­al­lel zu diesem Fes­ti­val find­et in diesen Tagen in der nördlich­sten Großs­tadt der EU auch wieder die »Ilmak­i­taran­soiton MM-kisat« statt — die Welt­meis­ter­schaft im Luftgitarrespielen.

»Es darf einem nicht pein­lich sein, das ist das wichtig­ste. Also wenn man Hem­mungen hat, dann ist man verloren.«
Aline »The Devil’s Niece« Westphal

Dass das nicht viel damit zu tun hat, einen alten Ten­niss­chläger in die Hand zu nehmen und zu Eric Clap­ton durch die Woh­nung zu hüpfen oder Angus Youngs Duck­walk nachzuah­men, zeigt ein Blick auf den Auftritt eben jenes Eric »Mean Melin« Melin, der diesen Wet­tbe­werb 2013 gewin­nen kon­nte. Oder der Auftritt der deutschen Aline »The Devil’s Niece« West­phal, die 2011 in Oulu die begehrte Trophäe — eine echte Gitarre (sic!) — in den Him­mel über dem Rotu­aari-Platz reck­en kon­nte. Luft­gi­tar­respie­len ist Kun­st, ist Extase, ist Show.

Luftgitarren-WM in Oulu: »Feine kulturelle Unterschiede«

Und: Die Luft­gi­tarre schafft es immer öfter raus aus der Nis­che. Die Welt­meis­terin von 2011, Aline West­phal, schreibt ger­ade an ihrer Diplo­mar­beit über die Kul­turgeschichte dieses Instru­ments, an der Uni Hildesheim hat 2011 ein Sem­i­nar dazu stattge­fun­den. »Ohne über­he­blich sein zu wollen (oder: ein biss­chen schon): Zu einem Gedicht, ein­er The­aterin­sze­nierung oder einem Gemälde hat jed­er etwas zu sagen«, schrieb Math­ias Mertens 2011 im Fre­itag. »Weil sich in diesen Diszi­plinen seit früh­ester Schulzeit ein Reper­toire an Inter­pre­ta­tion­s­gesten eingeschlif­f­en hat, auf das jed­erzeit zurück­ge­grif­f­en wer­den kann, wenn man in die pein­liche Sit­u­a­tion gerät, eine Ein­schätzung zu solchen Leis­tun­gen abgeben zu müssen. […] Wird man allerd­ings mit ein­er unbe­sproch­enen ästhetis­chen Prax­is wie dem Luft­gi­tar­ren­spiel kon­fron­tiert, ist da nichts, an das man anschließen kön­nte, weshalb die einzig denkbare Reak­tion eben dieses unbes­timmte Gefühl ist: Das ist doch nichts.«

Diesem »Das ist doch nichts« set­zen in Oulu Jahr für Jahr wieder beg­nadete Luftgitarrenspieler*innen ihren Auftritt ent­ge­gen. Mertens schrieb 2011 weit­er, man könne während der WM in Oulu erleben, wie das Luft­gi­tar­respie­len als Aus­drucksmit­tel für die »immense kul­turelle Kom­pe­tenz funk­tion­iert, die viele aufge­baut haben, ohne davon in einem öffentlichen Diskurs Gebrauch machen zu kön­nen«. Man könne überdies »die feinen kul­turellen Unter­schiede studieren, die zwis­chen Kon­ti­nen­ten und Län­dern beste­hen, wenn es um die ach-so-kul­turimpe­ri­al­is­tis­che amerikanis­che Rock­musik geht«. Das ist eine Möglichkeit, es auszu­drück­en. Man kön­nte aber auch ein­fach sagen: In Oulu kann man jedes Jahr eine sen­sa­tionelle Show erleben. Rock ‹n› Roll!

Foto: © Mai­ju Torvi­nen / Air Gui­tar World Championships

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