John McCain hat verloren. Nicht nur gegen Barack Obama, nein, gleich gegen die ganze «Obama-Bewegung», wie Bill Clinton das mal genannt hat. Nun ist der erste Schwarze Präsident der USA, der wohl mächtigste Mann der Welt. Ein Sieg der Bewegung, der Performance, des gelungenen Auftritts. «Change has come to America», sagte Obama in seiner Siegesrede in Chicago. Doch was wird außerhalb der Staaten passieren? Dieser Sieg nämlich dürfte auch ein Sieg sein, der den Umgang mit Amerika für viele Länder dieser Welt nicht gerade einfacher machen wird. Allen voran für die europäischen Staaten.
Barack Obama nämlich ist keine so einfache, manchmal sogar berechenbare Figur wie George W. Bush, vor allem aber keine so einfache Figur, wie sie sich mancher Politiker wohl gewünscht haben wird. So recht taugt der gebürtige Hawaiiner nicht dazu, sich an ihm zu reiben. Und zum Feindbild taugt er erst recht nicht, zu smart, zu inspirierend, zu clever. Zu schwarz? Nicht wenige dürften sich dieser Tage beim «positiven Rassismus» erwischt haben. Auch das wird es Obama in Zukunft bei harten Entscheidungen wohl kaum leichter machen Im Gegenteil.
Und um diese Entscheidungen wird auch der kommende Präsident der USA nicht herumkommen. Wer glaubt, dass mit Obama auf einen Schlag das Kyoto-Protokoll, der Irak-Krieg, Afghanistan, die Ablehnung des internationalen Gerichtshofs oder die Todesstrafe abgehakt werden können, wird sich wundern. Auch der 47-Jährige ist immer noch US-Politiker, Demokrat zwar, gebunden aber an seine Parteidoktrin und an politische Zwänge. Ein Mann, der die Todesstrafe keineswegs grundsätzlich ablehnt, der im Irak ganz genau schauen wird, die Truppen nicht auch nur einen Tag zu früh abzuziehen, und der — viel konsequenter noch als McCain — die amerikanische Wirtschaft und die amerikanischen Arbeitsplätze protegiert, wie sein Verhalten in der Frage des Großauftrags der US-Luftwaffe diesen Sommer und sein fast grundsätzliches Desinteresse an der europäischen Wirtschaft gezeigt haben.
Zudem hatte sich Europa, hatte sich Deutschland gerade erst an dieses «Old Europe»-Gefühl gewöhnt, dass Donald Rumsfeld zum Wort des Jahres 2003 gemacht hatte. Auch mit diesem Gefühl im Rücken boten die USA mit ihrem Präsidenten Bush eine prima Projektionsfläche, durch die, zumindest für Teile der Bevölkerung, aus dem ehemaligen Befreier so etwas wie der neue Gegenpart auf der internationalen Politbühne wurde. Das könnte nun vorbei sein. Und die USA zeigen uns gleichzeitig mit dieser Wahl noch eine ganze andere Schwäche auf, wie Tanja Dückers in der Zeit schreibt: «Wenn die angeblich so reaktionären, rassistischen Amerikaner einen schwarzen Hawaianer zum Präsidenten wählen, werden wir uns plötzlich fragen müssen: Warum könnte bei uns niemals ein Türke oder Roma mit deutscher Staatsbürgerschaft der nächste Kanzler werden? Weil wir dafür noch nicht ‹weit› genug sind, weil wir bei allen Entwicklungen immer 20 Jahre hinter den Amis herstolpern?»
Doch man kann und sollte diese Wahl nicht nur aus Europäischem Blickwinkel betrachten, sondern vielleicht einmal die Perspektive wechseln. So, wie das so viele bei George W. Bush auch getan haben, die ihn auch deshalb ablehnten, weil ihnen dieses Amerika unter einem solchen Präsidenten irgendwie leid tat. Und die jetzt die Hoffnung haben, dass sich ein ganzes Land durch diesen Neuanfang ändern könnte. Rassismus, Gesundheits- und Sozialpolitik, Bildung, saubere Energie, Guantanamo. Alles Wahlkampfthemen auf innenpolitischer Ebene. Sollte Obama auch nur einen Teil seiner Versprechen in die Realität umsetzen, könnte sich plötzlich alles wieder drehen. Dann nämlich könnten die USA auch in Europa wieder ein Stück von dem Ansehen zurückerhalten, dass sie einmal hatten. Einen Präsidenten, der in Europa wieder mit offenen Armen empfangen wird, haben sie schon einmal.