Mit Reliquien ist das so eine Sache. Trotz manch angebrachtem Zweifel an der ein oder anderen Glaubwürdigkeitsthese sind sie nach wie vor Machtobjekte. Besonders das Schweißtuch der Heiligen Veronika, dass heute im Besitz des Vatikan ist, gilt als eine der heiligsten Trophäen des Christentums. Nun aber hat sie Konkurrenz bekommen, und zwar so wirkungsmächtige, dass sogar der ehrenwerte Kölner Erzbischof Kardinal Meissner bei ihrem Anblick niederknien musste.
Was war passiert? In dem kleinen Zisterzienserinnenkloster des Abruzzenstädtchens Manoppello ist ein weiteres — und wie die Schwestern hier sagen, das wahre — Schweißtuch aufgetaucht. Das vatikanische Modell hält man für eine Fälschung — und geht in der Meinung einher mit so manchem hochrangigen Wissenschaftler.
Die Frage nach der Darstellbarkeit des Herren und seines Sohnes ist nun eine Frage, die die Menschen seit beinahe 2000 Jahren beschäftigt. Und seit jeher waren die »wahren« Abbilder, die Primärreliquien, mit denen Christus selbst Kontakt hatte, immer eine Möglichkeit, sich des Dilemmas zu entledigen, das da heißt: »Du sollst Dir kein Bildnis machen«. Das Schweißtuch, da nicht von Menschen gemacht, war die Lösung schlechthin und entsprechend beliebt. Und immer noch gibt es Experten, die der Meinung sind, ein solches Tuch könne nicht hergestellt werden, es müsse entstehen — obwohl es inzwischen einige nahezu perfekte Kopien gibt, von denen eine bis vor kurzem noch in der Kölner Ausstellung »Ansichten Christi« zu sehen war.
Und so zeigt diese kleine Anekdote einmal mehr, dass der Wissenschaft einiges gelingen kann. Und wenn sie auch keine Beweise für die Originalität des Schweißtuchs gefunden hat, so hat sie doch, zumindest bei einigen Christen, den Glauben an die Reliquie zerstört.