Musik
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Die Revolution als Party-Desaster

Schwarz-Weiß-Foto von Menschen, die an einem Strand ein Trinkgelage feiern

Es gibt Bands, die kön­nen keine Bal­laden. So wie Köch*innen, die keinen Nachtisch kön­nen oder Fußballer*innen, die ein­fach keinen Kopf­ball hinkriegen. Kraftk­lub sind so eine Band. Was sie anpack­en, wird laut und rauh und knochen­trock­en, selb­st wenn es von Liebe und Schmerz und Melan­cholie han­delt. Zum Glück. Jet­zt haben die Chem­nitzer mit »In Schwarz« ihr zweites Stu­dio-Album veröf­fentlicht, das um Län­gen bess­er gewor­den ist als der Erstling. Und der war schon richtig gut.

»Unsere Fans war’n mal dage­gen, die woll­ten nicht gefall­en. Früher kleine Läden und jet­zt nur noch volle Hallen, und ich fand die mal gut, die waren treu und kor­rekt, doch ist man drei Minuten weg, feiern die ‹nen neuen Act.«
Kraftk­lub: »Unsere Fans«

Fan­gen wir mit der Aus­nahme an, denn die gibt es lei­der. Sparen Sie sich Track 7, sparen Sie sich »Mein Rad«. Der Song: dreiein­halb Minuten Zeitver­schwen­dung, weniger musikalisch, dafür textlich umso mehr. Allerd­ings ist das eine Aus­nahme von nicht nur ein­er Regel, son­dern von 15 — von 15 weit­eren Songs, die Kraftk­lub auf das gestern erschienene Album gepackt haben und die aus den 59 Minuten ein Kraft­paket machen, von dem schon die erste Sin­gle-Auskop­plung »Unsere Fans« gezeigt hat, was davon zu erwarten ist.

»In Schwarz«: Kein Hochglanzleben

Dabei heißt diese Plat­te nicht umson­st »In Schwarz«. Im Kern ist es ein trau­riges Album, ein Album, das vom Scheit­ern han­delt und von Verlierer*innen, von Rev­o­lu­tio­nen, die sich anfühlen soll­ten wie eine Par­ty und die am Ende doch im Desaster enden. »Die Rev­o­lu­tion oder ›Berlin — Tag & Nacht‹?« heißt es in »Schüsse in die Luft« — und man ahnt, dass der da besun­gene Tag nicht auf der Straße, son­dern vor der Glotze enden wird, mit einem lauwar­men Bier in der Hand und pap­pi­gen Chips auf dem Tisch. Und in »Irgen­deine Num­mer«, einem großar­tig von Gitar­ren und Beat getriebe­nen Stück singt die Band ein­er Ex-Fre­undin hin­ter­her, die jet­zt nur noch irgen­deine Num­mer im Tele­fon ist. Das haben schon die Ärzte früher gemacht mit »Zu spät«, doch während das Stück bei den Berlin­ern mit einem rotzi­gen Rachegedanken daherkommt, dreht sich »Irgen­deine Num­mer« um den dreck­i­gen All­t­ag mit seinen bit­teren Momenten und den durchzecht­en Nächten.

Ohne­hin ist das kein Hochglan­zleben, das da in den 16 Stück­en besun­gen wird. Es ist ein Leben der Stag­na­tion (»Wie ich«), in dem die Protagonist*innen sich eigentlich wün­schen, jemand anders zu sein, ein Leben des Fast-Foods und des bil­li­gen Kon­sums und der ein­samen Pornos (»Für immer«), ein Leben der zu großen Dis­tanzen und der ver­passten Chan­cen (»Weit weg«).

Doch Kraftk­lub wären nicht Kraftk­lub, wenn »In Schwarz« in Res­ig­na­tion unterge­hen würde. Selb­st diese auf den ersten Blick zutief­st pes­simistis­chen Songs tra­gen tief in sich drin einen Trotz und eine Würde, die sich gegen das Unglück stemmt, die auf­begehrt gegen die Ein­samkeit und den Schmerz und die Wut. Nicht nur ist es das Augen­zwinkern zwis­chen den Zeilen, es sind auch und nicht zulet­zt das Schlagzeug von Max Marschk und die — im Ver­gle­ich zum Erstling — melodis­cheren Akko­rde, die immer wieder Hoff­nung machen.

Plötzlich erzählen Kraftklub Geschichten

Und: Es gibt da auch noch die anderen Seite von »In Schwarz«. Die ist deswe­gen noch lange nicht fröh­lich, nicht voller Kon­fet­ti oder Sen­ti­men­tal­itäten. Aber es ist fast so, als sei das Album eine LP — mit ein­er Seite unten und ein­er Seite oben. Und auf die obere Seite haben die fünf Chem­nitzer Songs wie »Alles wegen Dir« gepackt, eine kraftvolle Liebe­serk­lärung an eine Frau, die selb­st aus einem Mon­tag­mor­gen einen guten Tag macht. Da sind Songs wie »Hand in Hand«, das tat­säch­lich von ein­er Rev­o­lu­tion han­delt — auch wenn nie­mand weiß, wofür oder woge­gen — oder »Meine Stadt ist zu laut«, ein Stück, das sich bis­sig und etwas melan­cholisch gegen die Gen­tri­fizierung wen­det. Und da ist ein Song wie »Gestern Nacht«, der — mit Ref­erenz an Mar­te­rias »Kids« — vom Älter­w­er­den han­delt, ohne in Selb­st­mitleid zu ertrinken.

»Ich würde gerne weit­er alles scheiße find­en, aber kann ich nicht. Ich fand das vorher bess­er, ich war gerne angepisst.«
Kraftk­lub: »Alles wegen dir«

All das ist zudem musikalisch ein ganzes Stück facetten­re­ich­er als »Mit K«. Noch immer kann sich Felix Brum­mer nicht entschei­den, ob er rappt oder singt, und wahrschein­lich will er das auch gar nicht. Doch 2014 find­en sich auf einem Kraftk­lub-Album plöt­zlich West­ern­gi­tar­ren, Anklänge von Elek­tro und Pas­sagen, die klin­gen wie von Cypress Hill oder Fisher‑Z oder Nir­vana. Doch die Band hat die zwei Jahre zwis­chen dem ersten Album und »In Schwarz« nicht nur genutzt, um sich musikalisch weit­erzuen­twick­eln. Auch inhaltlich sind Kraftk­lub ein ganzes Stück flex­i­bler als noch 2012. Plöt­zlich erzählen sie Geschicht­en — und das nicht nur vom Leben, vom tris­ten All­t­ag, von Chem­nitz und dem Erwach­sen­wer­den, son­dern — oft iro­nisch und mit ein­er angenehmen Por­tion Selb­stre­flex­ion — auch von sich, von ihrer Kar­riere, vom Erfolg.

Nur eines kön­nen Kraftk­lub ein­fach nicht: Bal­laden. Wenn sie es dann doch mal ver­suchen, wie mit »Meine Stadt ist zu laut«, dann scheit­ern sie an ihrem eige­nen Real­itätssinn, an ihren Erfahrun­gen und ihrem Frust. Und das ist vielle­icht das Beste an »In Schwarz«. Denn während in ihren Songs die Protagonist*innen oft scheit­ern, während da die Nächte schmutzig sind und am näch­sten Mor­gen ein bit­ter­er Kater wartet, während die Rev­o­lu­tion im Desaster endet und die Liebe in Schmerz, bauen Kraftk­lub aus all dem eine Plat­te, die sich für kaum etwas so gut eignen dürfte wie für eine Par­ty. Und wie die dann endet, das entschei­den wir immer noch selbst.

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