Visionen
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Machtinstrument

»Karikatur [von ital. ›cari­care‹ über­laden], satir. oder kom. Darstel­lung indi­vidu­eller und gesellschaftl. Zustände, meist in Form eines bewußt dis­pro­por­tion­ierten Porträts. […] Strafrechtlich kann sie als Belei­di­gung oder als Beschimp­fung von Reli­gion­s­ge­mein­schaften ver­fol­gt wer­den (§§ 185, 166 StGB).«

Der Zeichen­s­tift ist ein mächtiges Werkzeug, vor allem für diejeni­gen, die keine Bilder ken­nen und wollen — sie fühlen sich belei­digt und ange­grif­f­en. Die in der Jyl­lands-Posten veröf­fentlicht­en Mohammed-Karika­turen erfüllen aber keinen strafrechtlichen Tatbe­stand und sind unan­tast­bar durch die Presse­frei­heit legit­imiert, die in Däne­mark noch um einiges bess­er geschützt ist, als hierzu­lande. Durch das Unver­ständ­nis auf bei­den Seit­en bleiben die Fra­gen nach Recht­fer­ti­gung und Sat­is­fak­tion die wichtig­sten Tage­sor­d­nungspunk­te im eskalieren­den Stre­it. Während es der logis­che Schritt für die Regierun­gen des Iran oder Libyens war, auf den ver­lock­end langsam fahren­den Zug aufzus­prin­gen und die Zeich­n­er (und mit ihnen gemein­sam die Zeitung, den Ver­lag und die Regierung) an den Pranger zu stellen, hätte der Umkehrschluss nicht gel­ten, die Karika­turen keine poli­tis­che Frage wer­den dür­fen. Erst durch die teils hil­flosen Beschwich­ti­gungsver­suche von europäis­ch­er Seite ist der Stre­it zu einem Poli­tikum gewor­den. Erst durch dieses Schuldeingeständ­nis hat man den Fun­da­men­tal­is­ten die Bühne zum Protest bere­it­et. Wie wohl hätte man im Nahen und Mit­tleren Osten reagiert, wenn die Europäer nach den Holo­caust-Leug­nun­gen eines Mah­mut Ahmadined­schad auf die Straße gegan­gen wären, Mus­lime bedro­ht und Moscheen ange­grif­f­en hät­ten? Was, wenn die Dänis­che Deutsche Regierung eine Entschuldigung für das Ver­bren­nen ihrer Staats­flagge fordern würde? Man würde lächeln und sich umdrehen — und das zurecht. Statt sich aber mit dem tat­säch­lichen (harm­los bis lang­weili­gen) Inhalt der Karika­turen auseinan­derzuset­zen, heuchelt man in den hohen Ämtern zwis­chen Berlin und Paris Ver­ständ­nis. Allein, dass man ein solch­es Ver­ständ­nis nicht auch von seinem Gegenüber ein­fordert, kommt ein­er Beledi­gung aller Mus­lime gle­ich. So aber fühlt sich die Min­der­heit, die nun im Gaza-Streifen und ander­norts laut wird, bestärkt in ihrer Unan­tast­barkeit die ihnen inzwis­chen sog­ar von der sich anbiedern­den US-Regierung zuge­s­tanden wird (Zu früh zugeschla­gen, scheint eine Falschmel­dung zu sein). Während­dessen führen ger­ade die hitziger wer­den­den Proteste zur Ver­bre­itung der Karika­turen. Hätte man in der Poli­tik doch dieses eine Mal den Mund gehal­ten und die Jour­nal­is­ten ihre Arbeit machen lassen.

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