Wort & Tat
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Gedreht, gewendet, gelandet

Mehr als 80 Seit­en ohne Wer­bung, alleine das sorgt bei mir schon für Verzück­en. Mehr als 80 Seit­en ohne Wer­bung und auch noch mit Inhalt hinge­gen, das ist in Zeit­en, in denen so viele die Medi­en gern an die Wand reden, ein dick­es Ding. Das FROH! Mag­a­zin hat das schon zum zweit­en Mal geschafft, ein drittes und viertes Mal sollen fol­gen. Nach dem Wei­h­nachts-Heft 2008 ist seit Fre­ita­gnacht die Wen­den-Aus­gabe im Han­del käu­flich zu erwer­ben, bish­er nur im Online-Shop, glaube ich, die ver­suchen aber irgend­wie, in Köln noch Büd­chen aufzutreiben oder so. Doch zum Inhalt: Wen­den liegt ja nahe, 20 Jahre nach der Wende aller Wen­den. Diesen Begriff aber zu drehen, zu wen­den und auf sich selb­st anzuwen­den, das passiert sel­ten. Hier schon.

Da gibt es Kochrezepte für Sachen, die man wen­den muss, Wende-Orte und Ortswen­den wie zum Beispiel die Geschichte von 99998 Volken­ro­da, dem Ort mit der let­zten Postleitzahl Deutsch­lands. Da gibt es Wen­de­men­schen und Wen­de­hälse, Wen­de­bi­ografien und Lebenswen­den. Einige High­lights, und ab hier zitiere ich ein Biss­chen, weil das alles schon­mal ziem­lich gut aufgeschrieben wor­den ist, in Kürze:

«Sei Du selb­st»: Was hat Jür­gen aus dem Big-Broth­er-Con­tain­er mit dem Mönch eines Franziskan­er-Ordens gemein­sam? Was verbindet einen Geschäfts­mann, der nach einem Mil­lio­nen­ver­lust wieder bei Null begin­nt, mit einem, der aus sein­er Fir­ma aussteigen muss, weil er gesund­heitlich am Ende ist? Wir erzählen vier Geschicht­en von Men­schen, in deren Leben sich alles geän­dert hat. Und die doch sie selb­st geblieben sind. Irgendwie.

«Mon­tag mit Igel»: Fritzi malt auf ein Plakat: Ein Land ohne Mauer — da ist kein­er sauer! Fritzi ist neun und darf lei­der nicht mit auf die Demo: für Kinder ist es zu gefährlich, find­en die Erwach­se­nen. Aber Fritzi ist hart­näck­ig … FROH! präsen­tiert einen Auszug aus Han­na Schotts Roman «Fritzi war dabei».

«Das Wun­der der Wende»: Die Mon­tags­ge­bete sind der Beginn der friedlichen Rev­o­lu­tion von 1989: Mit einem Mal sind es tausende Men­schen, die sich über das Demon­stra­tionsver­bot hin­wegset­zen. Sie tra­gen ihre Hoff­nung als ein Meer von Kerzen durch die Stadt. Pfar­rer Chris­t­ian Führer hat uns sein Manuskript zum Mon­tags­ge­bet vom 30. Okto­ber 1989 zur Ver­fü­gung gestellt.

Das alles und noch viel mehr haben die Her­aus­ge­ber Dirk Brall und Michael Schmidt gemein­sam mit Chefredak­teur Sebas­t­ian Pranz nicht nur großar­tig zusam­menge­tra­gen, sie haben mit Klaus Neuburg auch noch jeman­den gefun­den, der es meis­ter­lich gelay­outet hat. Wenn man jet­zt noch bedenkt, dass 50 Cent der sieben Euro von jedem Mag­a­zin an ein gemein­nütziges Pro­jekt gehen, ist der Kauf eigentlich schon Pflicht. Das Pro­jekt übri­gens liegt nicht im Osten. Trotz Wende. Son­dern in Nord­hessen. Wegen der Wende? Anorak21 heißt es jeden­falls, Raum­pi­oniere nen­nt das FROH! Mag­a­zin die Mach­er. Und wenn Sie sich jet­zt wun­dern, warum ich so lan­gat­mig Wer­bung für all das mache, lassen Sie sich gesagt sein, dass ich hochgr­a­dig befan­gen bin. Auf den Seit­en 76–79 dieses Hefts näm­lich find­et sich ein kleines Stück Text von mir, eines, dass zwar auch von Wen­den han­delt, vor allem aber von der Skep­sis, eines, dem die Kol­le­gen von FROH! den schö­nen Unter­ti­tel «Ein Plä­doy­er» gegeben haben, für den ich genau­so dankbar bin wie für die Gele­gen­heit, bei solch einem Pro­jekt mitzuar­beit­en. Über­ti­tel: «Am Stammtisch der Skep­sis». Fro­hes Lesen.

Auf dem Cov­er übri­gens zu sehen: Ein Foto von Jon Adrie Hoek­stra. Es zeigt: Selb­st­gemachte Him­beer­marme­lade und Deutsche Marken­but­ter (gesalzen) auf Kom­miss­brot auf dem Weg nach unten zu lack­iertem Estrich. Teil ein­er Ver­such­srei­he mit ver­schiede­nen Marme­laden und Broten, um dieses Gerücht zu über­prüfen, das Brot falle immer auf die falsche Seite.

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