Wort & Tat
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»Ich hoffe, wir haben die Pubertät hinter uns«

Gestern Abend haben sich die Mach­er des Gesellschafts-Mag­a­zins FROH! in Essen ihren Red-Dot-Award abge­holt. Nur ein Zeichen von vie­len, das zeigt: Dieses Pro­jekt wird wahrgenom­men. Erst kür­zlich wurde in Köln die fün­fte Aus­gabe des wer­be­freien non-prof­it-Mag­a­zins vorgestellt, das für mich zu den großar­tig­sten jour­nal­is­tis­chen Pro­jek­ten gehört, die es in den ver­gan­genen Jahren gegeben hat. Und weil ich mich jedes Mal wieder freue, wenn die Her­aus­ge­ber Dirk Brall und Michael Schmidt, Chefredak­teur Sebas­t­ian Pranz und Art-Direk­tor Klaus Neuburg eine neue Aus­gabe machen (obwohl sie eigentlich nach der ersten gle­ich wieder aufhören woll­ten), habe ich Michael und Sebas­t­ian einige Fra­gen zu FROH! gestellt. Her­aus­gekom­men ist ein Inter­view über Geld und Ide­ale, Cred­i­bil­i­ty und christliche Werte, Angela Merkel und David Has­sel­hoff. Und eines, das mit ein­er offe­nen Frage endet.

Trotzen­dorff: Als Ihr vor zwei Jahren ange­fan­gen habt, wusstet Ihr noch nicht wirk­lich, ob es über­haupt mehr als eine FROH!-Ausgabe geben würde. Mit »Licht« erscheint mor­gen nun bere­its Heft #5, Ihr habt neben viel Zus­pruch und guten bis begeis­terten Kri­tiken in diesem Jahr auch einen Red-Dot-Design-Award gewon­nen — wie weit seid Ihr inzwis­chen auf dem FROH!-Weg gekom­men? Wo ste­ht Ihr?

Sebas­t­ian: Wir haben von Anfang an eigentlich nie geplant, von wem wir gele­sen wer­den oder welch­es Image wir haben wollen, son­dern immer sehr intu­itiv das gemacht, was uns selb­st inter­essiert. Ich glaube, wir haben inzwis­chen unsere Stimme gefun­den und wis­sen, welche The­men zu FROH! passen und welche nicht. Von einem erfahre­nen Mag­a­z­in­mach­er habe ich kür­zlich gehört, dass Mag­a­zine in etwa die gle­ichen Entwick­lungss­chritte machen, wie ein Men­sch. Ich hoffe, wir haben jet­zt die Pubertät hin­ter uns, aber so genau weiß man das nie.

Anfangs war es wahrschein­lich noch schwierig, Autoren, Fotografen, Illus­tra­toren und all die anderen Mit­stre­it­er für ein solch­es Pro­jekt zu gewin­nen. Wie ist das heute? Müsst Ihr immer noch Klinken putzen oder ren­nt man Euch inzwis­chen die Bude ein?

Sebas­t­ian: Als wir Wei­h­nacht­en 2008 ange­fan­gen haben, woll­ten wir eigentlich nur ein einziges Heft machen und danach wieder unseren Jobs nachge­hen. Aber eine der größten Über­raschun­gen war es, dass wir sehr schnell viele pro­fes­sionelle Beiträge hat­ten. Das war ein großer Ans­porn für uns und hat uns in unser­er Idee, ein regelmäßig erscheinen­des Mag­a­zin zu machen, bestärkt. Das hat sich eigentlich bis heute nicht geän­dert: Ohne diesen Rück­en­wind durch die vie­len Beitra­gen­den, die uns derzeit immer noch ehre­namtlich unter­stützen, würde es FROH! nicht geben. Was die einzel­nen Hefte ange­ht, haben wir mitunter sehr genaue Vorstel­lun­gen und ver­suchen, wirk­lich auch die kle­in­ste Info­grafik konzep­tionell gut einzu­binden. Das bedeutet ein­er­seits, dass ein Großteil der Texte und Bilder pass­ge­nau für FROH! ange­fer­tigt wird, und ander­er­seits, dass auch ein hochkarätiger Beitrag mal raus­fällt, weil er ein­fach nicht ins Heft passt.

Und wie ste­ht das FROH!-Magazin finanziell da? Wie gut funk­tion­iert der Spa­gat zwis­chen non-prof­it und pro­fes­sionellem Anspruch?

Micha: Es liegt in der Natur eines non-prof­it-Pro­jek­tes, dass man sich um Spenden küm­mern und in der finanziellen Pla­nung immer zwei Schritte vor dem Tages­geschäft sein muss. Das bindet einen großen Teil unser­er Arbeit­skraft, ist aber ein wichtiger Teil des Gesamtkonzeptes. Denn uns ist klar, dass wir wer­be­frei bleiben und unser Heft unab­hängig von Anzeigenkun­den gestal­ten wollen. Daher gehen wir den Weg, dass wir nach Unter­stützern suchen, die FROH! für das fördern, was es ist. Auch wenn wir finanziell vielle­icht keine großen Sprünge machen kön­nen, bleiben wir inhaltlich ungebunden.

Haben sich in den ver­gan­genen zwei Jahren mal Ver­lage gemeldet, die Inter­esse an FROH! hat­ten? Und, wenn ja, wie habt Ihr reagiert?

Sebas­t­ian: Nein eigentlich nicht. Vielle­icht liegt das auch daran, das FROH! ein Zwis­chend­ing aus einem Buch, einem Kun­st­band und einem Gesellschafts­magazin ist. Ich glaube, das betra­chtet man aus ver­legerisch­er Sicht erst mal etwas länger, bevor man es einkauft. Aber auch ohne zu einem fes­ten Ver­lag zu gehören, haben wir im Ver­lag Her­mann Schmidt, zu dem ja unsere Druck­erei gehört, einen sehr großen Unter­stützer gefun­den, der uns mit Rat und Tat zur Seite ste­ht. Damit sind wir sehr glücklich.

Würde FROH! als pro­fes­sionelles Mag­a­zin mit Ver­lagsh­in­ter­grund über­haupt so gut funk­tion­ieren, wie es das bis jet­zt tut?

Sebas­t­ian: Das hängt sehr vom Ver­lag ab, ich glaube es gibt viele kleinere Ver­lage, die span­nende Sachen machen und selb­st große Häuser wie Springer real­isieren mal so etwas Abge­fahrenes wie ‹DER FREUND› oder ‹Human Glob­aler Zufall›. Ich glaube trotz­dem, wir wer­den unser eigen­er Ver­lag bleiben und behal­ten die Frei­heit, sich jed­erzeit neu erfind­en zu kön­nen. Außer­dem müsste ein Ver­lag ja auch unsere ideellen Vorstel­lun­gen mit­tra­gen: Einen Teil der Ein­nah­men für ein gutes Pro­jekt zu spenden, ist nicht unbe­d­ingt wirtschaftlich.

Wie wichtig sind Optik, Hap­tik und Lay­out, die ja Under­state­ment ausstrahlen, für den Anspruch und das non-prof­it-Denken, das FROH! hat?

Sebas­t­ian: Eigentlich haben wir uns von der Vorstel­lung ver­ab­schiedet, dass man Gestal­tung und Inhalt getren­nt voneinan­der sehen kann. Für uns hat das alles den gle­ichen Stel­len­wert. Das ist ja das Schöne an einem analo­gen Medi­um — ein Mag­a­zin ist ein Gesamter­leb­nis, das auf sehr vie­len Ebe­nen funk­tion­iert. Im redak­tionellen Prozess sprechen wir meis­tens genau­so lange über den Schriftschnitt, die Far­bigkeit und die Weißräume, wie über die Texte.

Eine der großen Auf­gaben der Anfangszeit war vor es vor allem, Ver­trieb­spart­ner zu bekom­men. Wo kann man FROH! inzwis­chen über­all kaufen?

Micha: Unser größter Ver­trieb­skanal ist immer noch unser eigen­er Online-Shop, aber wir haben im ver­gan­genen Jahr inter­es­sante Verkauf­sorte aufgenom­men, um FROH! in eini­gen Städten kauf­bar zu machen. Auf unser­er Web­site im Shop gibt es auch eine Liste, wo es FROH! um die Ecke gibt, das sind oft kleine Läden, aber auch bekan­nte Buch­hand­lun­gen über Deutsch­land verteilt.

Anlässe immer wieder the­ma­tisch, aber mit Augen­zwinkern und eher über Umwege anzuge­hen, ist reizvoll, birgt aber in meinen Augen auch das Risiko, sich zu weit vom Kern zu ent­fer­nen. Wie war das bei der aktuellen Aus­gabe »Licht«?

Sebas­t­ian: In unserem vor­let­zten Heft FINALE haben wir zum Beispiel einen sehr großen the­ma­tis­chen Spa­gat ver­sucht — denn wir woll­ten kein Fußball­heft im engeren Sinne machen, son­dern auch über Dinge wie den Tod sprechen. Da sind 100 Seit­en schnell voll. LICHT ist hinge­gen ein sehr ruhiges Heft gewor­den, das den einzel­nen Ideen viel Raum gibt. Aus jour­nal­is­tis­ch­er Per­spek­tive ist das The­ma sehr dankbar, denn man kann über die Auseinan­der­set­zung mit dem Licht und der Dunkel­heit eigentlich alles mögliche erzählen. Beispiel­sweise hat unsere Autorin Ste­fanie Müller-Frank ein Stück über einen Pil­gerort geschrieben — da geht es um die Anziehungskraft eines Dor­fes, den Stre­it über ein Wun­der, die Poli­tik der katholis­chen Kirche und das per­sön­liche Erleben von Men­schen. Ich mag solche The­men, denn sie schla­gen eine sehr große Brücke vom Rah­men­the­ma zum Leser.

Habt Ihr Euch in den ver­gan­genen Jahren verän­dert, was die Herange­hensweise an Hefte und The­men ange­ht? Habt Ihr Euch irgend­wo was abgeguckt oder gibt es vielle­icht Nachah­mer von FROH!?

Sebas­t­ian: Bei uns im Team kom­men sehr viele Inter­essen zusam­men, die einen eige­nen The­men-Mix ergeben. Und wahrschein­lich haben wir auch alle unsere heim­lichen Vor­bilder. Ich lese sehr gerne die Dum­my und die bran­deins, aber auch das nach­haltige Wirtschafts­magazin enorm, das es seit Anfang des Jahres gibt. Was unsere eigene Herange­hensweise ange­ht, ist es immer noch so, dass wir uns mit Haut und Haaren auf die The­men ein­lassen, auch in der Nacht vor Druck­ab­gabe noch kon­tro­vers über Detail­fra­gen disku­tieren, bis schließlich ein Heft her­auskommt und wir wieder auss­chlafen kön­nen. Anders möchte ich eigentlich auch gar nicht mehr leben.

Ziel von FROH! war es von der ersten Aus­gabe an, auch wirk­lich froh zu machen, etwas zu bewe­gen. In einem ehrlichen Rück­blick: Wie gut ist Euch das gelungen?

Sebas­t­ian: Das ist eine schwere Frage — ich glaube, jed­er Außen­ste­hende kann sie bess­er beant­worten als wir. Ob wir mit FROH! etwas bewe­gen, kann man sicher­lich auch schw­er messen. Aber es ist schon so, dass die Werte, die uns mit dem Heft wichtig sind, in der Gesellschaft zunehmend Gehör find­en: Seit der Finanzkrise ver­lassen wir uns zum Beispiel nicht mehr blind auf rein wirtschaftliche Mod­elle, da bekom­men non-prof­it-Unternehmen eine völ­lig neue Cred­i­bil­i­ty. Und auch per­sön­liche Ein­stel­lun­gen wie ein christlich­es Men­schen­bild oder strate­gis­ches Kon­sumver­hal­ten wer­den zunehmend gesellschaftlich rel­e­vant. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir zu diesem Trend etwas beige­tra­gen können.

Micha: Und natür­lich bekom­men wir auch immer wieder Rück­mel­dun­gen von Lesern, die uns erah­nen lassen, dass FROH! auch froh macht. Let­ztens schrieb uns eine Leserin vom Kranken­bett: FROH! mache sie nicht nur froh, son­dern glück­lich. Es sei schw­er die Welt zu ret­ten (wie es in unser­er Wei­h­nachts­geschichte in der aktuellen Aus­gabe anklingt), aber ihren Tag hät­ten wir gerettet. Sowas ist dann ein­fach schön.

Und seid Ihr selb­st immer noch froh mit FROH!?

Sebas­t­ian: Ich glaube, kein­er von uns hätte vor zwei Jahren ein­schätzen kön­nen, worauf wir uns da ein­lassen. FROH! ist kein Job, son­dern eine richtige Lebens­ab­schnittsauf­gabe. Für mich per­sön­lich ist es aber nach wie vor die span­nend­ste Sache, die ich mir im Moment vorstellen kann. Und ich glaube, das geht uns allen ähnlich.

Wenn Ihr Euch für FROH! etwas wün­schen dürftet, sagen wir, die gute Fee kommt vor­bei, mit einem Wun­sch. Welch­er wäre das?

Sebastian:Für unser Redak­tions­büro hätte ich gerne Schlafliegen, eine zweite Espres­so­mas­chine und einen Phys­io­ther­a­peuten. Außer­dem wäre es nett, mal Angela Merkel im Gespräch mit David Has­sel­hoff zu brin­gen. Die Bilder macht Anton Corbijn.

Wisst Ihr schon, welch­es The­ma das näch­ste Heft haben wird?

Sebas­t­ian: Na klaro, wieso fragst Du?

2 Comments

  1. frohmag says

    RT @trotzendorff: »»Ich hoffe, wir haben die Pubertät hin­ter uns«« — Das @frohmag über Geld, Werte, Angela Merkel und David Hasselhoff: …

  2. samkuem says

    RT @trotzendorff: »»Ich hoffe, wir haben die Pubertät hin­ter uns«« — Das @frohmag über Geld, Werte, Angela Merkel und David Hasselhoff: …

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