Vor wenigen Tagen hat Facebook meinen Account gelöscht — endgültig. Und nachdem der erste Schmerz verklungen ist, kann ich auch endlich darüber schreiben. Die Geschichte einer Trennung.
Facebook und ich hatten einen Deal — jetzt ist es aus
„Sie vertrauen mir. Was für Trottel!“ Ich habe in den vergangenen drei Wochen oft an diese Sätze denken müssen, die der 19-jährige Mark Zuckerberg in den Anfangstagen von Facebook einem Freund geschrieben haben soll.
Nein, mit Vertrauen hatte das bei Facebook und mir nichts zu tun.
Facebook und ich hatten ganz einfach einen Deal, so wie Facebook mit jedem Nutzer einen Deal hat: Zuckerbergs Unternehmen bekommt einen Teil meiner Daten, ich bekomme ein Soziales Netzwerk — kostenlos. Und da sich nicht wirklich messen lässt, wie viele Daten Facebook bekommt, habe ich bei diesem Deal einfach meinem Bauchgefühl vertraut. Lange war das Verhältnis für mich ausgewogen und fair, selbst als Facebook Instagram gekauft hat, konnte ich damit noch gut leben. Fotos von meinem Essen? Bitte schön. Weder auf Facebook, noch auf Instagram habe ich Informationen geteilt oder Daten hinterlassen, die ich nicht guten Gewissens in fremde Hände geben konnte. Vor drei Wochen aber hat sich alles geändert.
Vor drei Wochen hat Facebook WhatsApp gekauft. WhatsApp, ausgerechnet den Messenger, über den ich privateste Nachrichten verschickt habe. Den Messenger, der meine Handynummer hatte, eine der Informationen, hinter denen Facebook her ist wie der Teufel hinter den unschuldigen Seelen. Mein Bauchgefühl sagte: Das ist nicht gut, der Deal droht zu platzen. Das Verhältnis zwischen den Daten, die Facebook insgesamt von mir bekommen hätte, und dem Service, den ich dafür nutzen darf, kam ins Wanken, und am Ende stellte ich fest: Es stimmt nicht mehr. Es war aus.
Immer dieses „Eigentlich“ oder: Warum ich meinen Facebook-Account wirklich gelöscht habe
Zu oft schon hatte ich in Posts oder Kommentaren zum Umgang von Facebook mit Nutzern und Daten Sätze wie „Eigentlich müsste man seinen Account löschen“ gelesen. Immer dieses „Eigentlich“. Bei mir sollte es fehlen. Also schrieb ich meinen letzten Post auf Facebook am 21. Februar 2014 um 10:30 Uhr. Der Inhalt: In 90 Minuten, Punkt High Noon, würde ich meinen Account löschen. 90 Minuten, um zu sehen, ob irgendjemand da draußen gute Argumente hat, nicht zu gehen. Immerhin, es gab ein paar halbgute: persönliche Kontakte, Freundschaften, großartige Unterhaltungen. Aber echtes Futter für mein gutes Bauchgefühl? Gegen den unfairen Deal? Fehlanzeige.
Um 12 Uhr also drückte ich den roten Knopf, der im Film die Bombe auslöst und im echten Leben einen Facebook-Account löscht. Zumindest fast. Schließlich gönnt Facebook sich selbst — oder jedem Nutzer, je nach Perspektive — eine Schonfrist von zwei Wochen, in der jeder Account wieder hergestellt werden kann. Diese zwei Wochen galt es auszuhalten. Und sie waren hart.
Das beste Argument gegen die Löschung nämlich hatte ich selbst parat, die ganze Zeit über: Ich liebe Facebook. Ich liebe diese Art der Kommunikation — der Kontakt zu einigen der großartigsten Menschen, die ich kenne, lief hauptsächlich über das Soziale Netzwerk, es war Nachrichtenquelle, Unterhaltungsmedium, Zeitvertreib. Mit Facebook hatte ich das Gefühl, dabei zu sein. Dabei, wenn sich im Leben von Freunden wichtige Dinge ereignen. Wenn sie umziehen, einen neuen Job antreten, wenn sie Kinder kriegen — und auch, wenn sie sterben.
Facebook ist nicht das einzige Social Network auf der Welt
Von einem auf den anderen Tag war das vorbei. Was blieb, war Leere. Das Gefühl, nicht mehr mitspielen zu dürfen, während die anderen draußen in der Sonne toben — und daran auch noch selbst Schuld zu sein. Was blieb, war das Gefühl, dass die Welt ein Stück ärmer geworden war. Zumindest für mich.
Dieser Schmerz aber, er geht vorbei. Zwar vermisse ich auch heute noch einige der Unterhaltungen und Menschen auf Facebook, aber Zuckerbergs Projekt ist nicht das einzige Social Network auf dieser Welt. Und bei Twitter, so mein Bauchgefühl, stimmt der Deal nach wie vor. Der Microblogging-Dienst will weniger Daten, ich habe mehr Kontrolle — und eigentlich genauso viel Spaß wie mit Facebook. Nur eben anders.
Was ich aber neben der persönlichen Seite unterschätzt hatte, waren die praktischen Konsequenzen. Als Admin der t3n-Fanpage beispielsweise musste ich schließlich nach wie vor in der Lage sein, Artikel zu teilen oder zu kommentieren. Mit Tools wie Buffer lässt sich schon ein Großteil der Arbeit eines Facebook-Admins abdecken, einiges aber geht eben auch nicht.
Reclaim your data: Ich hatte eine Lawine losgetreten
Doch auch, wenn sich solche Probleme mit etwas Aufwand lösen lassen, gab es noch einen weiteren Punkt: Wenn ich schon Facebook den Rücken kehrte (und in der Folge auch WhatsApp und Instagram), musste ich konsequent sein. Wenn ich diesem Unternehmen keine Daten mehr geben wollte, musste das auch für andere Konzerne gelten. Für Google etwa — und damit auch für Google+. Bloß: Die Daten hatten diese und andere Unternehmen ja nicht ausschließlich durch meine Nutzeraktivität erhalten, sondern auch durch Like- oder +1‑Buttons auf anderen Seiten, durch die Google-Suche und vieles mehr. Ich hatte eine Lawine losgetreten — in meinem Kopf.
In den kommenden Tagen begann ich also, ein Konzept zu entwickeln. Arbeitstitel: Reclaim your data. Ich machte eine Liste, welche Dienste ich zukünftig nicht mehr nutzen würde und ging gleichzeitig auf die Suche nach Alternativen. Facebook, Google, Google+, Instagram, WhatsApp, Dropbox, Pocket, Things und einige mehr landeten auf einem Zettel — und daneben Namen wie Friendica, DuckDuckGo, Threema, ownCloud, Wallabag oder Tracks. Dazu begann ich, eine ausgeklügelte Cookie-Verwaltung einzurichten, um auch hier die Kontrolle darüber zu behalten, welchem Unternehmen ich welche Daten hinterlasse, und beschäftigte mich eingehender mit Mailverschlüsselung via PGP.
Schluss mit den Convenience-Technologien
Eines wurde mir dabei schon nach kurzer Zeit klar: Was ich vorhatte, war mit reichlich Aufwand verbunden — und mit Know-how. Wie Tim Wu kürzlich für den New Yorker schrieb: Wir haben die Wahl, uns zwischen anspruchsvollen, fordernden Technologien und „Convenience-Technologien“ zu entscheiden. Und die fordernden Technologien, so Wu, zeichnen nun mal drei Dinge aus: „It is technology that takes time to master, whose usage is highly occupying, and whose operation includes some real risk of failure.“ Oder, wie es Richard Baguley in einem Vergleich zwischen Dropbox und ownCloud für WIRED ausgedrückt hat: „When you pay for cloud storage, you’re only paying for convenience.“ In den vergangenen zwei Wochen habe ich zur Genüge erfahren, was die beiden meinen.
Heute bin ich an einem Punkt, an dem ich meinen Ausstieg nicht mehr bereue. Sicher, einiges vermisse ich noch immer, und das wird wohl auch so bleiben. Schließlich ist die Idee hinter Facebook nach wie vor großartig. Doch es geht mir gut.
Und ich bin sicher: Facebook wird es nicht jucken, dass sie einen Nutzer weniger haben. Google wird nach wie vor gutes Geld verdienen, auch ohne meine Cookies. Und WhatsApp wird sicher noch eine zeitlang in den Schlagzeilen auftauchen, insgesamt aber überleben — die Nutzerbasis ist einfach zu groß. Ich aber habe das getan, was immer wieder zurecht gefordert wird: Ich habe meine Verantwortung als Nutzer ernst genommen und – teils in mühsamer Bastelei – die Hoheit über die Daten, die mir wichtig sind, zurückgewonnen. Und gleichzeitig einige der Projekte, die schon lange auf meiner To-Do-Liste standen, endlich umgesetzt.
Mit welchen Tools? Mit welchen Mitteln? Das wird in einem anderen Artikel stehen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf t3n.de.
Recht hast Du! Habe auch schon ein paar Mal überlegt, diesen Weg zu gehen… jetzt werde ich es machen!