Wenn Till Brönner seine Trompete aus der Hand legt, ist das meist kein gutes Zeichen. Bei anderen Musikern bedeutet das: Sie machen eine kleine Pause. Bei dem 36-Jährigen Jazzmusiker aber gibt es noch zwei weitere Möglichkeiten: Er redet — Oder er singt. Genau das aber sind die Momente, mit denen er seinen Jazz zu Fahrstuhlmusik abwertet und seine sonst großartigen Konzerte zu Plauderrunden, wie man sie von seiner Reihe «Talking Jazz» gewohnt ist. Eigentlich hat Brönner alleine schon mit Wolfgang Haffner (Schlagzeug) und Dieter Ilg (Bass) zwei Weltklassemusiker an seiner Seite, und auch die anderen (Johan Leijonhufvud, Gitarre / Daniel Karlsson, Klavier / Roland Peil, Percussion), mit denen er derzeit auf Tour ist, machen beim Zuhören einfach Spaß. Gestern waren sie auf Station in der Philharmonie in Berlin, und wieder hat Brönner quergeschossen.
Dass Jazz und Humor sich nicht ausschließen, zeigen zum Beispiel Haffner und Ilg, wenn sie sich musikalisch die Bälle zuspielen. Brönner aber schweift ab und spielt den Unterhalter. Dabei sollte er das tun, was er am besten und auch noch wirklich gut kann: Trompete spielen — und zwar live. Denn auch zwischen seinen Platten — vor allem der letzten, «Rio» — und seinen Liveauftritten liegen Welten. Auf der einen Seite seichter Loungejazz, angehaucht mit Latinoklängen und — immer wieder — Brönners leider vollkommen charakterloser Gesang, vorhersehbar und zu gradlinig. Wenn er dann auch noch portugiesisch singt, mit diesen weichen, verschliffenen Lauten … Auf der andere Seite kraft- und phantasievolle Musik, angetrieben von einem genialen Wolfgang Haffner, voller Spielfreude und handwerklicher Perfektion.
Brönners Problem ist der Markt. Denn ohne seinen Schwiegermuttercharme, der sich durch einen solchen Abend zieht, hätten sich wohl auch seine letzten Platten kaum so gut verkauft. Und man mag sich gar nicht all die enttäuschten Hausfrauen Besucher vorstellen, die nach einem seiner Konzerte zu ihrer Begleitung sagen: «Also auf CD klingt der irgendwie besser.» Nein, er klingt gefälliger. Brönner bedient also seine Pappenheimer und man könnte ihm zu Gute halten, dass er sogar noch den Spagat wagt, auch für alle die etwas im Petto zu haben, die wegen echtem, solidem Jazz kommen. Eigentlich aber ist es seine Band, die diesen Spagat wagt. Und so schließt man jedes Mal, wenn Brönner die Trompete zur Seite legt, die Augen und denkt: «Jetzt singt er wieder!»