Immer wieder unternehmen deutsche Regisseure den Versuch, in ihren Fernsehfilmen die Medien darzustellen — so realistisch wie möglich. Gelungen ist das kaum einmal. Doch was ist so schwierig daran?
Kommissarin Lürsen ist sauer. Und sie lässt es raus. Mitten in der Fernsehshow »Rapido« legt sie sich mit einem Massenmörder an, schreit in die Studiokamera. Der Mörder aber legt einfach auf. Und der Zuschauer schaltet vermutlich ab. Am Ziel vorbeigeschossen ist Regisseur Martin Gies mit seiner Idee von der Wirklichkeit im Tatort »Die apokalyptischen Reiter« und seiner Figur der engagierten Kommissarin (Sabine Postel). Die Fernsehshow aufgeblasen und skurril, der Auftritt der Ermittlerin undenkbar.
Nun sind die psychologisch oft recht gekünstelten Tatort-Folgen aus Bremen ohnehin nicht gerade der Beweis für guten Realitätssinn. Doch auch in anderen Filmen muss man über das Bild der Medien eher schmunzeln oder weinen. Reporter als ausschließlich auf die Sensation bedachte, hetzende Meute, Journalisten als die einzigen verbliebenen Geheimnisträger der Nation, im Printbereich kaum Konkurrenz für die Boulevardmedien, seriöse Blätter tauchen so gut wie gar nicht auf. Dabei müssten es doch gerade die Öffentlich-Rechtlichen besser wissen.
Doch was passiert durch solche offensichtlichen Verfälschungen? Das ohnehin schon schlechte Bild, das unsere Gesellschaft von »Pressefritzen« und »Medienheinis« hat, leidet nochmals. Oder es wird, wie im Fall des gerade erstausgestrahlten Tatorts »Investigativ« mit Robert Atzorn alias Jan Castorff, in dem der Journalist Gregor Schulz und seine Tochter als unfassbar leichtsinnige und hellsichtige Weltverbesserer gezeigt werden, weiter verzerrt. In beiden Fällen tritt etwas ein, was für die Medien tödlich ist. Die Distanz zwischen ihnen und der Gesellschaft wächst, man wird sich fremd. Und das, obwohl diese Distanz ohnehin schon groß genug, vielleicht zu groß ist. Denn während der Zeitungsleser vom Redakteur, der Radiohörer vom Sprecher und der Fernsehzuschauer vom Aufnahmeleiter kaum etwas mitbekommt, sind Journalisten im Film omnipräsent, immer an vorderster Front, penetrant, nervtötend, störend. Und selten sympathisch.
Am Ende der Sympathiekette
Nun leben Journalisten und die Medien aber von Informationen und somit auch von Informanten, sie leben vom Vertrauen. Vom Vertrauen, das Ihnen Menschen entgegenbringen, in dem sie ihre Geschichte »rausrücken« und sich sicher sein können, den eigenen Namen dennoch nicht am nächsten Tag auf dem Titel zu lesen. Vom Vertrauen des Bürgers aber auch in die gedruckte, gesendete Information, in den Wahrheitsgehalt und die genaue Recherche. Und in ein wenig Restmoral. All das findet sich im Fernsehen so gut wie nie. Journalisten erpressen, lügen, intrigieren, verschweigen oder behindern.
Natürlich kann man niemanden vorwerfen, Journalisten so darzustellen, wie sie sind und Kollegen wie Gregor Schulz trifft man schließlich regelmäßig. Doch die Systematik, mit der im Film auf eine gewisse Bandbreite der Darstellung verzichtet wird, erstaunt. Die oft gerühmte »Medienlandschaft«, die in Deutschland immer noch existiert, ist hier allerhöchstens noch ein Modell im Maßstab 1:87. Und auch ein sarkastisch-utopischer Blick, wie er etwa Peter Weir in »The Truman Show« oder Barry Levinson in »Wag the Dog« gelang, hat hierzulande anscheinend keinen Platz.
Der Film aber hat die Eigenschaft, nicht nur Geschichten zu erzählen, sondern immer auch eine Botschaft zu transportieren. Diese Botschaft kommt an und bleibt hängen, als Bild der Wirklichkeit. Und jeder Regisseur muss sich auch den Schuh anziehen lassen, diese Botschaft sei seine eigene. Journalisten aber rangieren bei Umfragen ohnehin schon am Ende der Sympathiekette, weiter nach unten schaffen es meist nur noch Politiker oder Handelsvertreter. Besser wird das durch die Arbeit der »Kollegen« wohl kaum.
Zu viel Trott, zu wenig Action
Erschwerend hinzu kommt, dass der Bürger über Journalisten im Allgemeinen nicht besonders viel weiß. Es wird wenig berichtet über die Berichterstatter. Ausnahmen, wie der Fall des Reuters-
Vielleicht hängt die Schieflage mit dem Alltag von Journalisten zusammen. Der Job mag noch so spannend sein, die Geschichte, hinter der ein Redakteur her ist, noch so Aufsehen erregend, das Sendeformat noch so neu. Medientauglich verwerten lässt sich all das nicht. Zu viel Büroalltag, zu viel Trott, zu wenig Action. Das schreckt Regisseure vielleicht ab. Und wer einmal eine Pressekonferenz in einem Polizeipräsidium verfolgt hat, weiß, dass das routinierte Bild, das Journalisten und Ermittler dort meistens abgeben, für einen Tatort etwa wenig geeignet wäre.
Insofern kann man den Drehbuchautoren und Regisseuren vielleicht gar keinen Vorwurf machen. Sie müssen schließlich auch ihre Quote erreichen, ihr Produkt verkaufen. Ein wenig Wirklichkeitsverzerrung — nur die logische Konsequenz des Erfolgsdrucks. Dass viele Produktionen damit aber genau das machen, was sie mit dem Bild des typischen Boulevardjournalisten der Presse vorwerfen, fällt den Machern selbst wohl kaum auf.