Visionen
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Maßstab 1:87

Immer wieder unternehmen deutsche Regis­seure den Ver­such, in ihren Fernse­hfil­men die Medi­en darzustellen — so real­is­tisch wie möglich. Gelun­gen ist das kaum ein­mal. Doch was ist so schwierig daran?

Kom­mis­sarin Lürsen ist sauer. Und sie lässt es raus. Mit­ten in der Fernsehshow »Rapi­do« legt sie sich mit einem Massen­mörder an, schre­it in die Stu­diokam­era. Der Mörder aber legt ein­fach auf. Und der Zuschauer schal­tet ver­mut­lich ab. Am Ziel vor­beigeschossen ist Regis­seur Mar­tin Gies mit sein­er Idee von der Wirk­lichkeit im Tatort »Die apoka­lyp­tis­chen Reit­er« und sein­er Fig­ur der engagierten Kom­mis­sarin (Sabine Pos­tel). Die Fernsehshow aufge­blasen und skur­ril, der Auftritt der Ermit­t­lerin undenkbar.

Nun sind die psy­chol­o­gisch oft recht gekün­stel­ten Tatort-Fol­gen aus Bre­men ohne­hin nicht ger­ade der Beweis für guten Real­itätssinn. Doch auch in anderen Fil­men muss man über das Bild der Medi­en eher schmun­zeln oder weinen. Reporter als auss­chließlich auf die Sen­sa­tion bedachte, het­zende Meute, Jour­nal­is­ten als die einzi­gen verbliebe­nen Geheimnisträger der Nation, im Print­bere­ich kaum Konkur­renz für die Boule­vardme­di­en, ser­iöse Blät­ter tauchen so gut wie gar nicht auf. Dabei müssten es doch ger­ade die Öffentlich-Rechtlichen bess­er wissen.

Doch was passiert durch solche offen­sichtlichen Ver­fälschun­gen? Das ohne­hin schon schlechte Bild, das unsere Gesellschaft von »Presse­fritzen« und »Medi­en­hei­nis« hat, lei­det nochmals. Oder es wird, wie im Fall des ger­ade erstaus­ges­trahlten Tatorts »Inves­tiga­tiv« mit Robert Atzorn alias Jan Cas­torff, in dem der Jour­nal­ist Gre­gor Schulz und seine Tochter als unfass­bar leichtsin­nige und hell­sichtige Weltverbesser­er gezeigt wer­den, weit­er verz­er­rt. In bei­den Fällen tritt etwas ein, was für die Medi­en tödlich ist. Die Dis­tanz zwis­chen ihnen und der Gesellschaft wächst, man wird sich fremd. Und das, obwohl diese Dis­tanz ohne­hin schon groß genug, vielle­icht zu groß ist. Denn während der Zeitungsleser vom Redak­teur, der Radio­hör­er vom Sprech­er und der Fernse­hzuschauer vom Auf­nah­meleit­er kaum etwas mit­bekommt, sind Jour­nal­is­ten im Film omnipräsent, immer an vorder­ster Front, pen­e­trant, nervtö­tend, störend. Und sel­ten sympathisch.

Am Ende der Sympathiekette

Nun leben Jour­nal­is­ten und die Medi­en aber von Infor­ma­tio­nen und somit auch von Infor­man­ten, sie leben vom Ver­trauen. Vom Ver­trauen, das Ihnen Men­schen ent­ge­gen­brin­gen, in dem sie ihre Geschichte »raus­rück­en« und sich sich­er sein kön­nen, den eige­nen Namen den­noch nicht am näch­sten Tag auf dem Titel zu lesen. Vom Ver­trauen des Bürg­ers aber auch in die gedruck­te, gesendete Infor­ma­tion, in den Wahrheits­ge­halt und die genaue Recherche. Und in ein wenig Rest­moral. All das find­et sich im Fernse­hen so gut wie nie. Jour­nal­is­ten erpressen, lügen, int­rigieren, ver­schweigen oder behindern.

Natür­lich kann man nie­man­den vor­w­er­fen, Jour­nal­is­ten so darzustellen, wie sie sind und Kol­le­gen wie Gre­gor Schulz trifft man schließlich regelmäßig. Doch die Sys­tem­atik, mit der im Film auf eine gewisse Band­bre­ite der Darstel­lung verzichtet wird, erstaunt. Die oft gerühmte »Medi­en­land­schaft«, die in Deutsch­land immer noch existiert, ist hier aller­höch­stens noch ein Mod­ell im Maßstab 1:87. Und auch ein sarkastisch-utopis­ch­er Blick, wie er etwa Peter Weir in »The Tru­man Show« oder Bar­ry Levin­son in »Wag the Dog« gelang, hat hierzu­lande anscheinend keinen Platz.

Der Film aber hat die Eigen­schaft, nicht nur Geschicht­en zu erzählen, son­dern immer auch eine Botschaft zu trans­portieren. Diese Botschaft kommt an und bleibt hän­gen, als Bild der Wirk­lichkeit. Und jed­er Regis­seur muss sich auch den Schuh anziehen lassen, diese Botschaft sei seine eigene. Jour­nal­is­ten aber rang­ieren bei Umfra­gen ohne­hin schon am Ende der Sym­pa­thiekette, weit­er nach unten schaf­fen es meist nur noch Poli­tik­er oder Han­delsvertreter. Bess­er wird das durch die Arbeit der »Kol­le­gen« wohl kaum.

Zu viel Trott, zu wenig Action

Erschw­erend hinzu kommt, dass der Bürg­er über Jour­nal­is­ten im All­ge­meinen nicht beson­ders viel weiß. Es wird wenig berichtet über die Berichter­stat­ter. Aus­nah­men, wie der Fall des Reuters-Fotografen Adnan Hajj, der auf­grund der Manip­u­la­tion eines Fotos ent­lassen wor­den war, gibt es von Zeit zu Zeit — meist in Skan­dalfällen. Anson­sten fall­en Jour­nal­is­ten eventuell noch auf, wenn sie bei öffentlichen Gele­gen­heit­en das Buf­fet plün­dern oder in Jeans und aus­geleiertem Sakko auf ein­er fes­tlichen Gala erscheinen. In dem großen Puz­zle, das als Bild ein­mal »den« Jour­nal­is­ten ergeben soll, fehlen jet­zt aber noch einige Teile. Und die liefert der Film. Beina­he mit Monopol­stel­lung. Dass die übri­gen Bere­iche der Medi­en in diesem Punkt nicht gegen­s­teuern, haben sie sich zu einem großen Teil selb­st zuzuschreiben.

Vielle­icht hängt die Schieflage mit dem All­t­ag von Jour­nal­is­ten zusam­men. Der Job mag noch so span­nend sein, die Geschichte, hin­ter der ein Redak­teur her ist, noch so Auf­se­hen erre­gend, das Sende­for­mat noch so neu. Medi­en­tauglich ver­w­erten lässt sich all das nicht. Zu viel Büroall­t­ag, zu viel Trott, zu wenig Action. Das schreckt Regis­seure vielle­icht ab. Und wer ein­mal eine Pressekon­ferenz in einem Polizeiprä­sid­i­um ver­fol­gt hat, weiß, dass das rou­tinierte Bild, das Jour­nal­is­ten und Ermit­tler dort meis­tens abgeben, für einen Tatort etwa wenig geeignet wäre.

Insofern kann man den Drehbuchau­toren und Regis­seuren vielle­icht gar keinen Vor­wurf machen. Sie müssen schließlich auch ihre Quote erre­ichen, ihr Pro­dukt verkaufen. Ein wenig Wirk­lichkeitsverz­er­rung — nur die logis­che Kon­se­quenz des Erfol­gs­drucks. Dass viele Pro­duk­tio­nen damit aber genau das machen, was sie mit dem Bild des typ­is­chen Boule­vard­jour­nal­is­ten der Presse vor­w­er­fen, fällt den Mach­ern selb­st wohl kaum auf.

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