Kritik an Bloggern hat es immer gegeben, es wird sie auch immer geben, interessanterweise aber kommt sie immer von zwei Seiten: Von Verweigerern oder den Medien. So auch am vergangenen Wochenende, als die Schweizer Sonntagszeitung mit dem Artikel «Bla-Bla-Blogger — Die Rebellen versinken im Mittelmaß» mal wieder versucht hat, etwas Staub aufzuwirbeln. Zumindest in der Blogosphäre scheint das geklappt zu haben, wie unter anderem die Reaktion auf medienlese.com zeigt. Die Gegenwehr von Ronnie Grob: «Ich glaube, etwas Empörung ist von Leserseite, von Bloggerseite schon angebracht, wenn etablierte Medien, die viel Geld hinter sich haben und behaupten, immer Journalismus zu betreiben, Blödsinn produzieren.»
Nun gibt es bereits diverse etablierte Medien, die sowohl das Potential von Bloggern, als auch die Unterschiede zwischeneinander erkannt haben und beides nutzen. Ein wenig aber wirkt auch dieser Fall wie die Entgleisung des Werbeagenturinhabers Jean-Remy von Matt, der einst Blogs als die Klowände des Internets bezeichnet hatte, was einerseits zu Empörung, andererseits zu Belustigung und Mitleid für den 56-Jährigen geführt hatte. Viel Wirbel um Nichts? Zeigt der Artikel von David Bauer in der Sonntagszeitung nicht lediglich, dass es immer noch einige Journalisten gibt, die nicht begriffen haben, was Blogs sind und was nicht? Wie richtig schreibt Ronnie Grob auf medienlese.com über das Verhältnis der beiden Gruppen zueinander: «Im Idealfall ergänzen und befruchten sie sich gegenseitig und bekriegen sich nicht. Nicht alles, was etablierte Medien machen, ist Journalismus, nicht alles, was Blogger schreiben, ist Blödsinn.» Doch mehr noch: Manche bloggenden Journalisten wollen — neben dem Schreiben für Geld — vielleicht sogar genau das. Ein bisschen Blödsinn verzapfen, ein bisschen albern sein, nicht jedes Wort abwägen müssen und nicht hinter allem, was einmal publiziert werden soll, unbedingt einen Sinn sehen.
Vielleicht beneiden nichtbloggende Journalisten diese zugegebenermaßen reichlich opportunistische Einstellung manchmal. Was für ein Gefühl das ist, ab und zu keinen Ressortleiter, keinen Chef vom Dienst, keinen Chefredakteur über sich zu haben, das kennen diese Kollegen eben nicht. Was für ein Gefühl es ist, nicht ständig zwischen Nachrichten und Meinung trennen zu müssen, seine Überschriften, sein Layout und die Länge vollkommen frei wählen zu können, haben sie noch nie erfahren. Und auch die freie Themenwahl über alle Ressortgrenzen hinaus werden sie wohl nur selten erleben, es sei denn, sie arbeiten in einer sehr fortschrittlichen Redaktion. Einer, der es aber wissen müsste, ist eben David Bauer, der tatsächlich selbst bloggt und als eine Station in seinem Lebenslauf ausgerechnet medienlese.com angibt. Einen differenzierten Umgang hätte man von ihm, der zudem einen «Master of Arts in Journalism» haben will, also eigentlich erwarten können.
Nun, ich müsste all das hier eigentlich gar nicht schreiben. Die Sonntagszeitung attackiert explizit Schweizer Blogs, ich aber bin deutscher Blogger und deutscher Journalist. Was soll’s mich also kümmern? Das Problem ist wahrscheinlich, dass ich diese Haltung des David Bauer hinter so vielen Schreibtischen vermute. Eine Haltung, die verleugnet, dass die meisten Blogger weder Rebellen, noch Journalisten sein wollen und dass das eine mit dem anderen nur insofern etwas zu tun hat, als dass durch Schreiben Texte entstehen, die von mehr oder weniger Menschen gelesen werden. Und dass die trotz eines erfolgreichen Verlags, steigenden Auflagenzahlen und vermutlich genügend Zeit zur Recherche nicht unbedingt durch gute Qualität auffallen müssen, zeigt das Beispiel in der Sonntagszeitung.