Ich weiß schon, Sie werden jetzt sagen: «Das ist sowas von 2007!» Ich bin zu spät, schon klar. Dennoch: Ich habe meine Profile gelöscht, bei Facebook und bei Xing. Eigentlich hätte mir schon vor einem Jahr klar sein können, das das passieren würde. Als ich gemerkt habe, wie sehr mich StudiVZ langweilt, wie schnell ich ermüde in diesen sozialen Netzwerken. Am Ende war es nur eine Kleinigkeit, die den Ausschlag gegeben hat: Die Tatsache, dass nicht zahlende Nutzer bei Xing inzwischen anscheinend vollkommen ausgebremst werden. Sie dürfen nichts mehr, keine Nachrichten schreiben, keine vernünftige Suche ausführen. Sie sind de facto handlungsunfähig. Alle anderen dürfen 5,95 Euro zahlen.
Nun habe ich das sogar noch in Kauf genommen, habe eine Gruppe geleitet, habe Kontakte gepflegt, Nachrichten geschrieben, Kollegen akquiriert. Und doch ist es bei all diesen Netzwerken nach einer gewissen Zeit dasselbe: Der Bewegungsradius ist zu gering, die Funktionen schlicht langweilig, die Angebote zu wenig individuell. Viel wichtiger aber sind die Auswirkungen auf den Alltag: Wie viel Zeit habe ich mit sinnlosen Dingen verbracht? Damit, nachzuschauen, wer mein Profil aufgerufen hat, wer in welcher Gruppe welche Nachrichten schreibt, all die Karteileichen bei ihrem Dasein zu beobachten und dabei gar nicht zu merken, wie wenig mir all das bringt. Die ersten Berichte über Aussteiger von StudiVZ und Co. sind längst gelaufen, bei Spiegel, in der Zeit, in Weblogs. Und jetzt: fühle ich mich frei. «Xxxiiinnnng» hat es gemacht. Aus.
Um meine Kontakte mache ich mir die wenigsten Sorgen. Wer mich kontaktieren will, findet mich immer noch zügig, wer mich nicht findet, will das auch nicht. Mein Rückzug ist kein Rückzug aus dem Internet. Ich blogge, ich twittere, ich flickre. Und doch fühle ich mich ein wenig leichter. Ein bisschen aber habe ich mich sogar um die Co-Moderatoren meiner Gruppe gesorgt, habe mich gefragt, ob ich sie «im Stich» lasse. Als sei das mein Leben. Als sei das das hier und jetzt.
Dabei gestaltet sich der Abschied nicht so einfach wie gedacht. War es bei StudiVZ noch ein einfaches «Profil löschen», sah das bei Facebook schon anders aus. Dort nämlich lässt sich nur der Button «Deaktivieren» drücken. Das gesamte Profil, alle Daten, alle Fotos bleiben gespeichert und lassen sich jederzeit reaktivieren. Und auch Xing besteht bei «Premium-Mitgliedern» — was für ein klug gewählter Name — auf einer persönlichen Nachricht an den Support. Würde mich nicht wundern, wenn mich morgen ein netter Mitarbeiter anruft und mich nach meinen Gründen fragt. Erinnert an das Abbstellen eines Zeitungsabos. Natürlich wollen die Betreiber auf ihr «Kapital» nicht so einfach verzichten. Könnte ja auch sein, dass ich noch einmal zurückkommen. Dass ich es bereue, rückfällig werde. Dass man all die Kontakte vermisst, ist von vornherein clever eingefädelt. Es sind nicht einfach nur andere Profile, die da mit einem durch die Onlinewelt schwirren, es sind «Freunde». Sie mögen mich. Ganz sicher.
Um meine Daten mache ich mir dabei eigentlich die wenigsten Sorgen. Ich bin mir durchaus bewusst, was ich wo angegeben habe. Wer das nicht im Griff hat, sollte sich im Netz nicht frei bewegen. Eigentlich mache ich mir gar keine Sorgen. Ich mag diese Entscheidung. Am Ende sehe ich es so wie Sebastian Pittelkow, der im März auf stern.de schrieb: «Wenn ich meinen Alltag gestalte, möchte ich nicht von einem virtuellen Netzwerk abhängig sein. Ich will mich nicht rechtfertigen müssen, dass ich die letzte Party verpasst habe, nur weil ich nicht dreimal am Tag die Nachrichten auf meinem Profil abrufe. Ich möchte nicht feststellen, dass sich Freundschaften nur noch über kurze Mitteilungen regeln. Und ich will nicht mehr meine Zeit sinnlos mit Gruscheln und Zurückgruscheln und in zu vielen Fotoalben verbringen. Wo führt denn das noch hin? Ich habe keine Lust mehr auf diese virtuelle Gruppentherapie! Lasst uns doch einfach mal wieder telefonieren oder im wirklichen Leben treffen!» Oder hier. Oder bei twitter. Oder bei flickr.