Obwohl in den Medien tagtäglich über Katastrophen, Verbrechen und andere Scheußlichkeiten berichtet wird, bekommen Zuschauer und Leser davon selten wirklich etwas zu sehen. Gezeigt werden meist die Bilder nach dem eigentlichen Geschehen, die Tatorte, wenn bereits das Schlimmste vorbei ist. Das ist gut so und für die Einhaltung gewisser Grenzen sorgt — zumindest in unserem Land — neben der Ethik auch einer moralischer Presse-Codex. So ist es für die Redakteure der meisten Medien beispielsweise selbstverständlich, keine Leichen oder Leichteile zu zeigen. Dabei wäre das Angebot an drastischem Material durchaus vorhanden. Das beweist jetzt auch eine Ausstellung mit dem schlichten Titel »(Tat)Orte« im NRW-Forum in Düsseldorf.
Es sind Fotografien verschiedener Reporter, darunter von Legenden wie Weegee, Arnold Odermatt, Enrique Metinides oder aus dem LA Police Archive. Sie zeigen genau das, was normalerweise im Archiv verschwindet. Leichen, Rettungsarbeiten, grausame Szenen. Dabei stellt sich die Frage, ob in dem Moment, in dem diese Bilder zu vermeintlicher Kunst erklärt werden, die sonst geltenden ethischen Grenzen verletzt werden dürfen und ob Fotografien einzig aufgrund ihrer handwerklichen Qualität und einem öffentlichkeitswirksamen Motiv bereits Kunst sind.
Man könnte einwenden, dass das Recht auf Information und die Tatsache, dass sich der Betrachter freiwillig zum Besuch entschieden hat, schwerer wiegen als moralische Grundsatzfragen. »Tatort-Fotos sind Fotos, die sich in das kollektive Bildergedächtnis der Welt einbrennen. Sie werden zu Ikonen für Desaster, Versagen, Ohnmacht.« So heißt es zu der Ausstellung von Seiten des NRW-Forums. Doch ist das richtig? Sind diese Bilder überhaupt im öffentlichen Bewusstsein präsent, sodass sie ins das kollektive Gedächtnis eingehen könnten? Und wollen wir in einer aufgeklärten Gesellschaft wirklich Ikonen (!) für solche Schlagwörter haben, beziehungsweise wollen wir, dass man sie für uns produziert?
Natürlich, Katastrophen und Leid faszinieren den Menschen, das wird sich auch nie ändern. Immerhin, in einer Gesellschaft, die meint, alles schon gesehen zu haben, gelingt es diesen Aufnahmen noch, etwas auszulösen. Nachdem Kino und Computerspiele für uns ständig Leid und Katastrophen inszenieren, bringen sie uns bei, über das echte Leben wieder erschüttert zu sein.