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»Kaschmir ist nicht so sexy wie Afghanistan«

Obwohl er erst seit drei Jahren fotografiert, ist Andy Spyra ein­er der erfol­gre­ich­sten Nach­wuchs­fo­tografen Deutsch­lands. Im Inter­view mit Timo Nowack von Flare, das ich hier auszugsweise veröf­fentliche, spricht der mehrfach aus­geze­ich­nete Fotograf, geboren 1984 in Hagen, über Tal­ent, den Mut zur eige­nen Geschichte und den richti­gen Umgang mit Witwen in Kaschmir.

Timo Nowack: Andy, du hast in let­zter Zeit einige sehr renom­mierte Preise gewon­nen. Bist du so gut, oder sind die anderen nur so schlecht?

Andy Spyra: Ich glaub nicht, dass ich wesentlich bess­er bin als die anderen. Gewon­nen haben meine Bilder über den Kon­flikt in Kaschmir — das war ein­fach die richtige Geschichte zur richti­gen Zeit. Außer­dem habe ich den Vorteil, dass ich als Stu­dent noch unheim­lich viel Zeit investieren und frei arbeit­en kann. In Kaschmir habe ich vier Wochen am Stück an der einen Geschichte gear­beit­et. Dabei hat­te ich keinen Druck von irgen­deinem Mag­a­zin, eine bes­timmte Bild­sprache oder ein bes­timmtes The­ma zu fotografieren. Ich habe keine Ter­mine gemacht, son­dern nur das fotografiert, was auf der Straße passiert ist.

Wie bist du darauf gekom­men, in Kaschmir zu fotografieren?

Bei ein­er Motor­rad­tour durch Indi­en hat­te ich am Ende noch zwei Monate übrig und bin nach Kaschmir gefahren. Ich war gle­ich total gefan­gen von der Land­schaft und den Men­schen, habe schnell Leute ken­nen­gel­ernt und auch ein paar Fre­und­schaften geschlossen. Ich fühlte mich unglaublich wohl, habe aber gemerkt, wie die Men­schen unter dem innerkaschmirischen Kon­flikt lei­den. Das ist der Kon­flikt der Bevölkerung mit der indis­chen Regierung beziehungsweise mit dem indis­chen Statthal­ter, dem indis­chen Mil­itär und den paramiltärischen Trup­pen in Kaschmir. Da habe ich beschlossen, diesen Kon­flikt zu doku­men­tieren und zu zeigen, wie es den Men­schen dort geht.

War es schwierig dort zu arbeiten?

Es gibt halt nir­gend­wo in der Nähe ein vernün­ftiges Kranken­haus, wenn mal etwas passieren sollte. Und im Unter­schied zu deutschen Demon­stra­tio­nen wird auch scharf geschossen. In den vier Wochen, in denen ich da war, sind auf Demos 60 Men­schen gestor­ben. Da über­legst du schon irgend­wann: Warum mach ich das hier, ist es das wert? Wobei ich nie das Gefühl hat­te, dass mein Leben direkt bedro­ht ist.

Du fotografierst erst seit drei Jahren — wie kommt man so schnell so weit?

Das soll nicht über­he­blich klin­gen, aber ich glaube, entwed­er man hat Tal­ent oder nicht. Ich hat­te bis vor drei Jahren nicht mal eine eigene Kam­era. Per Zufall bin ich auf eine Kun­st­fo­to­seite gestoßen und die Sachen haben mir gefall­en. Dann habe ich mir meine erste vernün­ftige Kam­era gekauft, eine Minol­ta Dim­age 7. Das fand ich super, hab mir eine Spiegel­re­flex geholt und ein drei­wöchiges Prak­tikum als Fotograf bei der Lokalzeitung in mein­er Heimat­stadt Hagen gemacht. Da war ich danach auch noch ein Jahr lang freier Mitarbeiter.

Du glaub­st, man hat Tal­ent zum Fotografen oder eben nicht?

Ich denke, Fotografie kann man bis zu einem gewis­sen Punkt ler­nen — diese absoluten Basics was Bild­kom­po­si­tion und Tech­nik ange­ht. Dass du deine Kam­era beherrscht. Aber das Gefühl für Momente, für Licht, für Kom­po­si­tio­nen, das muss man ein­fach mit­brin­gen. Ich wüsste nicht, wie ich jeman­dem das Fotografieren beib­rin­gen sollte. Es gibt Mil­lio­nen Foto­büch­er zum The­ma «Wie werde ich ein besser­er Fotograf», aber ich glaube nicht, dass die irgend­was bringen.

Was zeich­net einen guten Foto­jour­nal­is­ten noch aus?

Ein guter Draht zu den Men­schen. Man darf kein Soziopath sein. Denn viel Kom­mu­nika­tion find­et nur über Kör­per­sprache, Mimik und Augenkon­takt statt. Man sollte außer­dem offen und ehrgeizig sein. Denn die Konkur­renz ist groß und ver­dammt gut. Da set­zt du dich nur durch, wenn du unheim­lich viel Zeit und Energie investierst. Mut gehört auch dazu. Nicht in dem Sinne, zu fotografieren, wenn geschossen wird. Son­dern Mut, den eige­nen Ideen zu fol­gen und an die eigene Geschichte zu glauben. Mein Pro­fes­sor an der Uni fand es zum Beispiel nicht toll, als ich zum zweit­en Mal nach Kaschmir fahren wollte. Weil für ihn Kaschmir tot fotografiert war und die Geschichte kaum zu verkaufen ist. Wom­it er auch Recht hat. Kaschmir ist nicht so sexy wie zum Beispiel Afghanistan. Aber ich habe es trotz­dem gemacht.

Das kom­plette Inter­view von Timo Nowack mit Andy Spyra gibt es auf flaremag.de.

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