Ich liebe Essen. Und ich liebe es, das zu lesen, was andere über Essen schreiben. Ob Rezepte, Restaurantkritiken oder Bücher wie die von Anthony Bourdain oder Bill Bufford. Unter anderem deshalb bin ich trotz aller Schwächen nach wie vor einer großer Fan der Magazine von Süddeutscher Zeitung und Zeit. Eine Ausgabe kann mich noch so sehr enttäuschen — immer aber steht etwas vom Essen darin.
So auch im aktuellen Zeit-Magazin, das ich erst heute beim Frühstück durchblättern konnte. Nicht nur, dass Günter Wallraff darin unter dem Titel «Unfeine Küche» einen soliden Text über die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen eines Gourmetrestaurants geschrieben hat, Wolfram Siebeck findet dort in seiner Kolumne auch noch «viele Spitzenköche modisch und austauschbar. Umso mehr freut er sich über eine Entdeckung in Basel.» Das freut mich, denn ich mag Basel. Und obwohl ich Wolfram Siebeck bisher leider nicht kennenlernen durfte, schätze ich ihn. Ich habe schon so manchen schönen Text von ihm gelesen. Basel und Siebeck — also eine perfekte Kombination?
Leider nicht. Siebeck mag viel vom Essen verstehen, er mag in die besten Küchen dieser Welt einen Blick oder mehr geworfen haben, er mag auf den ersten davon erkennen, was ein gutes Lokal ausmacht. Journalistisch aber muss ich ihm in die Suppe spucken. Fünf Absätze ist sein kleines Stück lang, 2561 Anschläge. Seine Entdeckung in Basel, die in der Unterzeile angekündigt wird, ist das Restaurant Stucki, ein Foto zeigt Küchenchefin Tanja Grandits. Und das erste Mal, dass Siebeck dieses Restaurant erwähnt? Nach 2272 Anschlägen. Ich habe nachgezählt. Davor: Auslassungen über die moderne Kochkultur, Aneinanderreihungen, Belanglosigkeiten. Der letzte, kleine Absatz verrät mir dann gerade noch soviel: «Im Restaurant Stucki in Basel verfliegen solche Gedanken schnell. Vielleicht, weil hier neuerdings eine Frau kocht, Tanja Grandits. Ihre Küche ist ultramodern, aber man genießt sie in beispielhafter Form und mit großem Genuss. Mittags kostet das 4‑Gang-Menü ohne Wein 75 Schweizer Franken.»
Das, werter Herr Siebeck, ist eine Sechs. Sie erzählen mir hier, bis auf den Preis, nichts, was ich vorher nicht schon wusste. Dass im Stucki eine Frau kocht, weiß ich durch die Bildunterschrift, dass Sie das Restaurant schätzen, durch die Unterzeile. Doch warum ich dorthin fahren soll, was genau die Küche ausmacht, wie der Service ist und vor allem was es zu essen gibt, erfahre ich nicht. Mit Texten über das Essen aber ist es wie mit diesen Speisekarten, die so oft in wenig dekorativen Glaskästen neben Restauranteingängen hängen. Wenn es nicht gelingt, mir hier zumindest ein wenig den Mund wässrig zu machen, werde ich keinen Tisch bestellen. Im vergangenen Jahr, zum 80. Geburtstag, schrieb der Kritikerkollege Jürgen Dollase über Wolfram Siebeck in der FAZ: «Das Sendungsbewusstsein schwand und machte einem munteren Palavern Platz …» — Lesen Sie doch Dollase mal wieder, Herr Siebeck.
Oh, Essen und Literatur! Etwas OT — aber das erinnert mich an mein altes Laster: Johannes Mario Simmels Es muss nicht immer Kaviar sein. Ich trotze dem Spott seit 15 Jahren und stehe dazu. Von Siebeck dagegen, muss ich zugeben, habe ich noch nie etwas nachgekocht oder nachbesucht. Gut, das hole ich mal nach.…