Im Jahr 2015 gehört es fast schon zum guten Ton, als Unternehmen aus dem Sport- oder Tech-Sektor einen Activity-Tracker auf den Markt gebracht zu haben. Aber wirklich innovativ? Ist das Meiste davon nicht mehr.
Ein Armband, das Schritte zählt? Eine Uhr mit GPS-Sensor? Ein Brustgurt, der die Herzfrequenz aufzeichnet? Eigentlich banal — und auf Dauer nicht sonderlich aufregend. Kein Wunder, dass viele Nutzer solcher Gadgets enttäuscht und gelangweilt sind und Armband, Uhr oder Sensor schon nach kurzer Zeit in der Schublade landen. Dazu kommt: Wirklich zeitgemäß sind die meisten dieser Lösungen heute auch kaum noch, entscheidend weiterentwickelt haben die meisten Unternehmen ihre Produkte in den letzten Jahren nicht. Zwar gibt es solche und ähnliche Funktionen längst fest integriert in die Kleidung. Bloß: Schaut man sich das dazugehörige Video an, wird einem eher angst und bange, als dass man Lust bekäme, Sport zu treiben.
Zwischen technischer Abhängigkeit und falschen Schönheitsidealen
Dazu gibt es unzählige Gadgets, bei denen es nicht vorrangig um die Gesundheit, um Sport oder Fitness geht, sondern um Schönheitsideale. Gürtel, die unseren Bauchumfang messen, Sensoren, die unsere Muskeln analysieren oder Waagen, die »smart« unser Gewicht kontrollieren. Auch wenn Bauchumfang, Muskelmasse oder Gewicht durchaus etwas mit der Gesundheit zu tun haben können — die Gefahr, dass solche Hilfsmittel einen in die falsche Richtung treiben, halte ich für hoch — beim Blick auf die Stereotypen, die einem aus den meisten Sport-Magazinen entgegenlächeln, sogar für sehr hoch.
»Then my app crashed. At first I was upset, but in my frantic efforts to fix the problem, I came face-to-face with an uncomfortable truth: data and music had become a crutch.«
Nora Krug: »Is fitness technology spoiling your workout?«
Zwischen all dem steht die durchaus wichtige Frage, die Nora Krug vor kurzem gestellt hat: »Have we all gotten a bit too dependent on tech feedback?« Sie zitiert als eine Antwort den Psychologen Larry Rosen: »If you are constantly checking your stats, ›then that is going to create anxiety — and that’s the last thing you want to do when exercising‹.« Die Frage ist also: Wie schaffen wir es, die großartigen Möglichkeiten zu nutzen, die uns die Technologie bietet, ohne uns zu sehr unter Druck zu setzen und den Spaß zu verlieren, den Sport machen sollte, damit er wirklich gesund ist? Vielleicht sind die fünf folgenden Gadgets ein Teil der Antwort.
1. Smart Rope
»Teddybär, Teddybär, dreh dich um. Teddybär, Teddybär mach dich krumm …« Eigentlich ein Wunder, dass sich in der fitness- und gesundheitsbegeisterten Startup-Szene das Seilspringen noch nicht als Mittagspausen-Workout durchgesetzt hat — gesund, wie es ist. Doch ein Startup hat das Rope-Skipping für sich entdeckt — als Geschäftsmodell: Die Tangram Factory von Joen Choe aus dem südkoreanischen Seoul.
Seine »Smart Rope« soll als Crowdfunding-Projekt groß werden und das wird wohl auch gelingen. Bei einem Ziel von 60.000 Dollar haben die Gründer schon mehr als 120.000 gesammelt, knapp zwei Wochen vor Ablauf der Kampagne. Dabei sieht das Gadget auf den ersten Blick aus wie ein Springseil, auf den zweiten aber entpuppt es sich als Hightech-Sportgerät — auch was den Preis von 70 Dollar angeht. Die Griffe des Gadgets zählen Sprünge und Kalorien und unterstützen bei verschiedenen Programmen. Und im Seil selbst sind 23 LED verbaut, die den Fortschritt schon während des Trainings anzeigen. In Kombination mit einer passenden App, die all diese Daten bündelt und aufbereitet, eine clevere Idee, die ich mir zwar anstrengend, aber auch witzig vorstelle. Und überall mit hinnehmen lässt sich die Smart Rope auch noch.
2. Sensoria
Es ist noch nicht lange her, da dachte ich, ich hätte ganz normale Füße. Sehen ja auch nicht ungewöhnlich aus, so von oben betrachtet. Doch es gibt Menschen, die sehen das anders. Laufexperten zum Beispiel. Oder Physiotherapeuten. Sie meinen: Ich habe Plattfüße. Auch wenn das eine Unverschämtheit ist, gibt es ein Gadget, das mich genau deshalb so fasziniert: die Sensoria-Fitness-Socken. In ihnen sind an drei entscheidenden Punkten des Fußbetts Sensoren eingewebt, die unsere Schritte messen und analysieren.
Die Vorteile: Die Sensoria-Socken können uns dabei unterstützen, Lauffehler zu finden und zu beheben, sie messen, wie wir auftreten und abrollen und können helfen, die richtige Schrittgeschwindigkeit zu finden, um unnötige Belastungen der Gelenke zu reduzieren. Alle Daten, die die Socken erheben, werden mit Hilfe eines Rings via Bluetooth an eine passende App übertragen, die alles sammelt und auswertet und die sogar während des Trainings schon Tipps gibt oder Läufer aufmuntert, wenn es mal nicht so läuft. Für 149 Dollar bestimmt kein Schnäppchen, aber für Menschen, die schon immer etwas für ihren Laufstil tun wollten, sicher ein reizvolles Gadget — vorausgesetzt sie wissen mit den erhobenen Daten umzugehen.
3. The Level
Ganz kurz habe ich gedacht, das Hoverboard aus »Zurück in die Zukunft« wäre Wirklichkeit geworden, aber Joel Heaths Idee ist nicht ganz so revolutionär. Doch sie ist gut genug, um 1.134 Menschen so sehr zu begeistern, dass sie seine Indiegogo-Kampagne für »The Level« unterstützt haben. 349.501 Dollar hat der Mann aus Santa Barbara so sammeln können — acht mal mehr als nötig.
Mit diesem Geld und seinem Unternehmen Fluidstance produziert Heath seitdem ein völlig analoges Fitness-Gadget, das auf den ersten Blick ein bisschen an das Balance-Brett von Togu erinnert. Doch The Level (Preis: ab 269 Dollar) ist weniger für wirkliches Fitness-Training gedacht als für zu Hause oder das Büro. Im Stehen darauf arbeiten oder beim Gemüse schnibbeln oder Bügeln ein bisschen Zeit darauf verbringen, soll den Körper in Bewegung und den Kreislauf in Schwung bringen — der Bewegungsradius vor allem des Unterkörpers soll dabei in etwa dem beim Spazierengehen entsprechen. Bei seiner Idee beruft sich Heath auf eine wenig verblüffende Studie: 86 Prozent der arbeitenden Amerikaner sitzen mehr als 7,7 Stunden pro Tag, aber 80 Prozent der Amerikaner hassen Sitzen. The Level könnte zumindest die erste Zahl senken. Vor allem, weil Heath verspricht: Mehr Rechtschreibfehler passieren Menschen, die auf seinem Gadget arbeiten, nicht.
4. AmpStrip
Es gibt eine ganze Menge Sportarten, die wunderbar ohne jede Datenbasis funktionieren. Auch Laufen. Doch wer irgendwann Rennen laufen will oder Wert darauf legt, schneller oder ausdauernder zu werden, wird um eine ordentliche Pulsmessung nicht drum rum kommen. Ein sauberes Intervalltraining beispielsweise ist ohne Pulsmessung nicht möglich. Das Problem: Pulsgurte, die um die Brust gelegt werden, sind recht akkurat, aber unbequem und störend. Fitness-Armbänder, die die Herzfrequenz messen können, sind bequemer, aber zu ungenau. Die Lösung: »AmpStrip«.
Das Startup aus Westborough, Massachusetts, hat eine Art wasserdichtes Pflaster entworfen, das die Herzfrequenz misst und via App aufzeichnet. Ohne Gurt, ohne Kabel, einfach auf die Haut »geklebt«. Das sorgt für Begeisterung, wie die Indiegogo-Kampagne zeigt, die AmpStrip Ende Februar beendet hat: 734 Prozent des Funding-Ziels hat das Unternehmen erreicht — satte 382.000 Dollar. Ausgeliefert werden soll das Gadget im August, für stolze 149 Dollar. Einziges Manko: Bis jetzt arbeitet es nur mit der hauseigenen AmpStrip-App zusammen. Wenn sich das ändert und der AmpStrip auch mit Apps wie denen von Nike, Endomondo oder Runkeeper funktioniert, haben Steven Schwartz und sein Team einen Kunden mehr. Ganz wichtig: Beim AmpStrip gilt noch mal mehr, was für die Sensoria-Socken auch gilt: Gesundheitsdaten sind reizvoll, doch ihre Interpretation ist nichts für Laien. Im Zweifel also lieber einen Experten dazu holen, um aus den Daten auch wirklich etwas Sinnvolles abzuleiten.
5. BlackRoll
Gut, das mit dem Spaß aus dem Teaser muss ich beim nächsten und letzten Gerät ein bisschen relativieren. Ein bisschen sehr sogar, sind die ersten Übungen doch nicht weniger als pure Qual. Doch der Mehrwert ist bei der »Blackroll« vermutlich so hoch wie bei keinem der anderen vier Gadgets. Bis vor wenigen Monaten wusste ich noch nicht mal, was eine Blackroll ist, geschweige denn, was die Faszien sind, für die sie so gut sein soll. Doch heute weiß ich: Das halbe Jahr Pause, das mich 2014 nicht nur Nerven, sondern auch Kraft gekostet hat, hatte ich ihnen zu verdanken. Denn die Faszien umschließen wie ein Netzwerk für den Sport wichtige Körperteile wie Muskeln, Knochen, Nervenbahnen und Blutgefäße. Und wenn wir sie nicht pflegen, können sie verkleben und verhärten. Was extrem schmerzhaft werden kann, wie ich bei meinem Ilio-tibialen Bandsyndrom — auch Läuferknie genannt — gemerkt habe. Das eigentliche Problem nämlich war, wie meine Physiotherapeutin rausgekriegt hat, gar nicht das Knie. Es waren die Faszien des Oberschenkels.
Und genau hier setzt die Blackroll an. Vereinfacht gesagt legt man sich auf diese Rolle drauf und massiert — durch das eigene Körpergewicht — Faszien und Muskeln. Und das tut am Anfang höllisch weh. Nach wenigen Tagen jedoch merkt man, wie das Gewebe sich entspannt und geschmeidiger wird. Und nach einigen Wochen, in denen man konsequent — und das heißt täglich — mit der Blackroll trainiert hat, tun die Übungen so gut wie kleine Massagen. Das ganze Bein (oder der Rücken oder die Arme) wird beweglicher und leistungsfähiger. Besser investierte Minuten? Schwierig.
Digital oder analog: 5 richtig gute Fitness-Gadgets
Während die Blackroll oder The Level ganz ohne Elektronik auskommen, bauen die Smart Rope, die Sensoria-Socken und der AmpStrip auf Daten auf. Und hier heißt es, aufmerksam zu sein. Gesundheitsdaten werden in den kommenden Jahren zu einer heiß umkämpften Ware, hinter denen nicht nur Unternehmen, sondern auch die Krankenkassen her sein werden wie der Teufel hinter dem Weihwasser. Und die Missbrauchsgefahr bei diesen Informationen ist riesig. Deshalb lohnt durchaus ein genauerer Blick auf das Kleingedruckte — wenn es das denn gibt —, beispielsweise darauf, wie die Daten im Einzelfall weiterverarbeitet werden.
»Bei Big Data besteht immer die Gefahr, dass es für kausale Zwecke missbraucht wird. Nicht nur bei Geheimdiensten. Auch bei Krankenkassen, bei Predictive Policing oder bei Entscheidungen darüber, ob jemand auf Bewährung freikommt oder nicht.«
Viktor Mayer-Schönberger
Während bei der Smart Rope auf dieses Thema gar nicht eingegangen wird — hier ist nur die Rede von einer Kommunikation zwischen dem Gerät selbst und dem Smartphone —, gibt es bei Sensoria immerhin eine Privacy Policy. Und darin finden sich neben der Tatsache, dass Sensoria die gesammelten Informationen auch zum Targeting einsetzt, auch so wichtige Sätze wie »Aggregated information may occasionally be shared with our advertisers and business partners« — verbunden mit dem Zusatz: »Again, this information does not include any personally identifiable information about you or allow anyone to identify you individually.« Und natürlich, so Sensoria, müsse man sich an geltende Gesetze halten — was in diesem Fall bedeutet: US-Gesetze. Und bei AmpStrip? Wo die Daten ja noch mal sensibler sind? Findet man nichts auf der Seite — keine AGB, keine Privacy Policy, nichts darüber, ob die Daten, die der Sensor via Bluetooth mit dem Smartphone austauscht, auch weiter genutzt werden. Ich habe beim Hersteller mal nachgefragt.
Schon diese drei Fälle zeigen: Man sollte sich bewusst sein, mit was man da spielt. Und doch sind all diese Gadgets auch Beispiele dafür, was passiert, wenn sich kluge Menschen Gedanken darüber machen, wie Fitness-Geräte 2015 aussehen können. Könnte sein, dass bald mal wieder ein Paketbote bei mir klingelt.