Ich weiß noch gut, was ich geantwortet habe, als ich vor zwei Jahren, die Vorbereitungen für das Buch «Graubünden erlesen» liefen gerade auf Hochtouren, gefragt wurde, mit welchen Worten ich meine Wochen in Graubünden beschreiben würde: «Eifach e huere guete Zyt» habe ich gesagt, einfach eine verdammt gute Zeit. Und meine Antwort, sie würde heute noch genau so ausfallen wie vor zwei Jahren. Das Buch erschien seinerzeit zum 10-jährigen Jubiläum des «Graubünden Nachwuchspreis für Reisejournalisten», einer Veranstaltung, die in diesem Jahr, nach einer kleinen Pause, endlich wieder aufgelegt wird.
Das Prinzip: «Auf Einladung von Graubünden Ferien sowie touristischen Partnern weilen einmal pro Jahr um die 20 Nachwuchskräfte aus dem Reise-Journalismus — allesamt unter 32 Jahren — zu einem einwöchigen Recherche-Seminar in Graubünden. Während dieser Woche recherchieren sie zu einem vorher frei gewählten Thema. Die Klammer bilden zwei Seminarblöcke, in welchen Fachdozent Peter Linden den Teilnehmern Grundlagen der journalistischen Form ‹Reportage› vermittelt und mithilft, dem zusammengetragenen ‹Rohmaterial› Dramaturgie und Struktur zu verleihen. Die danach innerhalb einer gesetzten Frist veröffentlichten Reportagen gelangen in die Wertung, die von einer hochkarätigen Jury vorgenommen wird. Die Autoren der drei besten Texte werden schliesslich ausgezeichnet und mit Geldpreisen belohnt.» Das ist doch PR, wird mancher jetzt denken, doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Natürlich, den ganzen Spaß zahlt ein Tourismusverband, der sicherlich kein geringes Interesse daran haben dürfte, seine Region in einem guten Licht dastehen zu lassen. Und doch: So frei, wie Themenwahl, Recherche und schlussendlich auch die Texte sind, kommen eben nicht selten auch Reportagen heraus, die alles andere sind als Werbung. Das wissen die Veranstalter und das wissen auch die Menschen, die sich darauf einlassen, die Journalisten in ihr Haus zu lassen. Zu schätzen weiß das alles die Jury, die Jahr für Jahr aus Schwergewichten ihrer Zunft besteht, und die zum Glück ebenso schnell wie Peter Linden merkt, wenn ein Text zu seicht, zu PR-lastig ausfällt. Ganz im Gegenteil, dort, in Graubünden, so schrieb Peter Linden zum Jubiläum, «entstehen Texte, denen die journalistische Sorgfalt anzusehen ist, die informieren und faszinieren, die animieren oder, wenn es nötig ist, auch einmal warnen. Texte, die mehr leisten, als den Baedecker auf 150 Zeilen zu komprimieren oder Danke zu sagen für kostenlose Logis und Verpflegung.» Zudem: Nie wieder habe ich so viel gelernt wie in den Seminaren von Peter, ganz davon abgesehen, dass es eben eifach e huere guete Zyt war, da unten.
In diesem Jahr haben die Teilnehmer gleich noch doppeltes Glück: Sie dürfen nicht nur recherchieren, schreiben und eine Menge Spaß haben, sie tun das auch noch in Lenzerheide, einem der wohl schönsten Ferienorte Graubündens. Vom 20. bis zum 26. Juni findet dort, auf 1450 Metern, die Recherchewoche statt, die Anreisekosten werden durch die Swiss, Schweiz Tourismus und die Rhätische Bahn finanziert. Der Aufenthalt in Graubünden (Basis: Zimmer/Frühstück) wird von Graubünden Ferien und lokalen Tourismusorganisationen übernommen.
«Der Reisejournalismus wandelt sich», schrieb Peter Linden schon 2008, und was dann folgte, hat heute noch immer seine Gültigkeit: «Langsam, aber sicher, bilden sich zwei Lager heraus, deren Zukunft unter einem gemeinsamen Dach kaum vorstellbar erscheint. Auf der einen Seite: hastig recherchierte, lieblos geschriebene Texte, die kaum je über das Klischee hinausgehen. Texte in denen Adjektive an die Stelle präziser Beobachtungen treten; Texte, in denen statt authentischer Personen die Strahlemänner aus den Prospekten winken; Texte, die das immer Gleiche verkaufen wollen anstatt das Neue zu beschreiben.» Die andere Seite ist der Graubünden Nachwuchspreis, die gelungenste und transparenteste Mischung aus ernsthafter Nachwuchsförderung, gelungener, weil authentischer PR und wirklich gutem Reisejournalismus, die ich bisher kennengelernt habe. Es ist eine Veranstaltung, die Hoffnung macht. «Hoffnung auf weitere spannende Texte unserer jungen Kollegen. Aber vor allem Hoffnung, dass hochwertiger Reisejournalismus in deutschsprachigen Medien noch lange nicht am Ende ist.»