Tisch & Bett
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Auf und ab oder: Warum auch Biber vegan sein können (Adé, Filet — Teil 2)

Ich bestelle das teuer­ste Gericht auf der Karte. Nicht, weil ich es gern dekadent habe, son­dern weil es — neben einem gemis­cht­en Salat — das Einzige ist, das veg­an sein kön­nte. 26 Franken und 50 Rap­pen ste­hen daneben, nach aktuellem Wech­selkurs sind das etwa etwa 21,60 Euro. Für den Preis freue ich mich auf einen über­wälti­gen­den »Gemüseteller mit Bratkartoffeln«.

Ich werde nicht ent­täuscht. Der Teller ist über­wälti­gend — schlicht. Gedämpfter Brokkoli und Blu­menkohl liegen neben ein paar Stück­en Karotte, Zuc­chi­ni und Kohlra­bi, dazu ein Schüs­selchen kleine Kartof­feln und ein Saucen-Töpfchen mit ein­er orange­far­be­nen Creme. Ob irgen­det­was bei dem Gemüse dabei sei, habe ich die Kell­ner­in vorher gefragt und ich lerne an diesem Abend, dass ich ganz ein­fach präzis­er wer­den muss. Das Gemüse ist mit ein­er hauchdün­nen Schicht Schweiz­er Käse über­zo­gen, was in der Creme ist, lässt sich nicht erahnen.

Jede Packung drehe ich dreimal um

Zwei Tage in Basel wer­den mir zeigen, wie gut vor­bere­it­et Veg­an­er auf Reisen offen­bar sein müssen. Der einzig veg­ane Snack, den ich in einem zen­trum­sna­hen COOP finde, ist ein Bio-Biber, im Café des Vit­ra-Design-Muse­ums ist die Aus­beute gle­ich Null. Und selb­st in der Jugend­her­berge ist die Auswahl dürftig — dabei dachte ich bis­lang, die Schnittmenge zwis­chen Jugend­her­bgs­gästen und Veg­an­ern sei zumin­d­est so groß, dass der Mech­a­nis­mus von Ange­bot und Nach­frage greift. Zum Früh­stück aber gibt es auss­chließlich But­ter, keine Mar­garine. Es gibt auss­chließlich Vollmilch, keine Sojamilch, und es gibt zwar tolles Brot, aber neben Nutel­la, Wurst, Käse und anderem — alles andere als veg­anem — Belag ger­ade mal zwei Sorten Marme­lade. Zumin­d­est unterzuck­ern werde ich an diesem Woch­enende nicht.

Was mir im COOP auf­fällt: Die Zeit, die ich in Super­märk­ten ver­bringe, hat sich in etwa ver­dop­pelt, seit ich ver­suche, mich einen Monat lang veg­an zu ernähren. Jede Pack­ung drehe ich dreimal um und scanne die Zutaten­lis­ten. Sich­er, es gibt Siegel für zer­ti­fiziert veg­ane Pro­duk­te, aber auf kaum ein­er Pack­ung finde ich eins. Ein Nuss­riegel, den ich am Badis­chen Bahn­hof für die Rück­fahrt kaufe, ist die Aus­nahme. An diesem Woch­enende ist meine veg­ane Mova­tion­skurve merk­lich abgerutscht.

Meine Motivation auf einer Skala von 1 bis 10

Nach­dem ich am ersten Mor­gen mit einem Soja-Lat­te und einem Stim­mung­shoch ges­tartet war und noch am Abend den ersten Dämpfer erhal­ten hat­te, war meine Laune zum Woch­enende wieder bess­er gewor­den. Viel bess­er. Jet­zt aber ist sie am Boden. Ich bin traurig.

Das ist auch die Kell­ner­in, als sie die Teller abräumt. Ob das »Rüe­bli-Mus« denn nicht geschmeckt habe, fragt sie ent­täuscht. Das war also die orange­far­bene Creme: Rüben­mus. Ich pro­biere eine Messer­spitze, es ist großar­tig. Wahrschein­lich ori­en­tiert sich daran der Preis für das Gericht.

Am Ende bleibt die Erken­nt­nis: Basel, nein: Die Schweiz ist die Hölle für Veg­an­er. Über­all Käse, über­all Schoko­lade, über­all tolle Sachen aus Schweiz­er Milch oder Schweiz­er Kühen. Und: über­all Riv­el­la. Aber auch die Limon­ade mit Milch­serum ist für mich in diesem Monat tabu. All das wäre über­haupt kein Prob­lem, gäbe es ein halb­wegs anständi­ges veg­anes Alter­na­ti­vange­bot. Süßigkeit­en, Sand­wich­es, Cof­fee to go — all das ist doch prob­lem­los ohne tierische Inhaltsstoffe herzustellen. Liegt es an der man­gel­nden Nach­frage? Bei dem Boom, den veg­ane Ernährung ger­ade erlebt, will ich das nicht so richtig glauben. Mir scheint: Der Trend ist da — und die Nahrungsmit­telin­dus­trie hat ihn ver­pen­nt. Gute Nacht.

2 Comments

  1. Lisa says

    In Frankre­ich sieht das nicht viel bess­er aus als in der Schweiz. Hier bin ich nach ein paar Jahren dann auch irgend­wann eingeknickt und habe den Veg­e­taris­mus (nach zwölf Jahren in Deutsch­land…) wieder aufgegeben. Auswärts essen ist son­st qua­si unmöglich, noch nicht mal die in der Heimat ver­lässliche Ofenkartof­fel mit Salat gibt es. Veg­an will ich mir dann gar nicht vorstellen…
    Viel Erfolg weit­er­hin noch!

    • Das macht jet­zt ja nicht so wahnsin­nig viel Hoff­nung. Wobei — dass ich nach dem Monat nicht veg­an weit­er­leben werde, weiß ich eigentlich jet­zt schon. Aber danke für die guten Wün­sche, brauchen kann ich die nach wie vor! ;-)

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