Die Debatte um Qualitätsjournalismus, Blogger und das Internet ist nicht neu, wird derzeit aber so heftig geführt wie selten zuvor. Die viel zitierten Artikel von Susanne Gaschke (Der Artikel ist bei faz.net leider nicht mehr zu finden) oder Miriam Meckel sind da nur zwei Beispiele. Stefan Niggemeier hat genau zu diesem Thema gestern einen langen und in vielen Punkten wahren Blogbeitrag (inzwischen offline) verfasst, den er selbst «Wutmäander» nennt. Eine schöne Wortschöpfung. Was Stefan Niggemeier jedoch nicht thematisiert — und das soll überhaupt kein Vorwurf sein — ist ein neuer Graben, der sich derzeit seinen Weg durch die Medienlandschaft bahnt.
Das ist umso trauriger, als es ohnehin schon zu viele Zerwürfnisse gibt, schon das Verhältnis zwischen denen, die sich auf Seiten der Journalisten sehen und denen, die bei den Bloggern stehen, erinnert allzuoft an das Fliegende Klassenzimmer und den Kampf zwischen Gymnasiasten und Realschülern. Bis einer heult. Nun aber droht ein weiteres Schlachtfeld aufgemacht zu werden und das liegt innerhalb der Redaktionen selbst. Auch da gibt es schließlich diejenigen, die den Status Quo halten wollen, diejenigen, die sich nicht mehr weiterentwickeln wollen oder können auf der einen, und die Kollegen, die mit aller Macht angeprescht kommen und das manchmal zu plakative Schild «Web 2.0» hochhalten, auf der anderen Seite. Leider aber wird das nicht selten als «Von hinten mit dem Messer durch die Brust» empfunden. Wenn es aber irgendwo keinen Riss geben darf, dann hinter den Kulissen. Diskurs, Debatten, Streit? Selbstverständlich. Zerwürfnisse? Bitte nicht.
Vielleicht ist es sinnvoll, sich nicht jeden Tag aufs Neue über das zu «unterhalten», was einen trennt, sondern öfter einmal auf all die Gemeinsamkeiten zu schauen. Björn Sievers hat dazu ebenfalls gestern einen schönen Beitrag geschrieben, in dem er schlussfolgert:
Ich werde das Gefühl nicht los, dass Journalismus und Bloggen sich irgendwie im gleichen Teich der Intertextualität tummeln, dass ihre Gemeinsamkeiten wichtiger sind als ihre Unterschiede, dass es am Ende ums Publizieren geht — und der Kanal und das Medium herzlich egal sind. Denn es schließt sich ja auch die Frage an: Ist der Beitrag von Miriam Meckel Journalismus (weil in der FAZ erschienen) oder ein Blog-Beitrag (weil in ihrem Blog publiziert)?
Ja und Nein, das Tummeln im selben Teich würde ich zwar unterschreiben, die Wahrnehmung aber ist es, die hier den Unterschied macht. Denn es geht nicht nur ums Publizieren, sondern um Macht, Deutungshoheit und eine Form der ständigen Selbstvergewisserung, die bisher immer nur Bloggern vorgeworfen wurde. Oder, um es einfacher zu formulieren: Da kriegt gerade eine Branche fast kollektiv kalte Füße.
Björn Sievers aber geht es um Vielfalt, und da gehe ich mit. Denn so bunt, wie das Netz für ihn ist, müssen auch zeitgemäße Redaktionen sein, sonst werden sie — schneller, als gedacht — von der noch bunteren Realität überholt. Ich glaube daran, dass Redaktionen das können. Das ist keine Utopie, solange man nicht verlernt, immer neu zu denken. Und Jeff Jarvis beschreibt genau das:
Think distributed.
Think abundance.
Think efficiency.
Think like capitalists.
Think collaborative.
Think process.
Think open.
Think platform.
Think digital.
Think. Just think.
Wenn das nicht gelingt, brauchen wir eine Debatte über guten und schlechten Journalismus gar nicht erst führen.
Ich fürchte, das, was Sie andeuten, ist teils schon Realität. Aus meiner Sicht eine, die mit Wert‑, beziehungsweise Geringschätzung zu tun hat. Sie erinnert mich daher auch an die Spaltung zwischen Redaktionen, wie es sie bei uns zwischen Feuilleton und Lokalkollegen gab und gibt. In ähnlichem Maße wird die Arbeit derer gewertet, die sich um die Onlineauftritte kümmern. Ganz ohne «Zerwürfnisse» wird unsere Branche also kaum davonkommen.