Noch vor einigen Tagen haben Jacques Schuster und Roger Köppel in der Welt geschrieben, die Türkei gehöre nicht zur EU und habe das noch nie getan, weder kulturell, noch geografisch. »Das Erbe der Antike, die jüdisch-christliche Ethik, die Renaissance und die Aufklärung sind an ihr genauso vorübergegangen wie an uns die Kultur des Harems.« Was ist dran an dieser These, was würde ein Beitritt der Türkei kulturell bedeuten?
Zunächst zu obenstehender — zugegebenermaßen mutig zu nennender Behauptung. Das Erbe der Antike — ein herrlich weit gefasster und daher schwer zu widerlegender Begriff — zeigt sich natürlich nicht in Stätten wie Troja und Ephesos. Unbedeutende Orte, kaum Historie und schon gar keine Entwicklung. Die jüdisch-christliche Ethik, fundamental verschieden von der islamischen, kann nicht, wie manche vermessene Historiker vermuten, auch in der heutigen Türkei gefunden werden. Außer Acht lassen muss man da wohl, dass das Byzantinische Reich zu den ersten christlichen Staaten der Welt zählt.
Renaissance und Aufklärung, soweit kann man den beiden Autoren entgegen kommen, musste das »Land« leider ohne Dürer und Michelangelo erleben. Die Entwicklung der Architektur unter der Osmanischen Herrschaft brachte leider keine großartigen Kirchen und Paläste zustande. Dieses kleine, rückschrittliche Volk musste sich mit dürftigen Moscheen, Theatern und Villen begnügen, die heute — man besuche nur Istanbul oder das ein oder andere Küstenstädtchen — größtenteils in Vergessenheit geraten sind.
Mal ehrlich, meine Herren, unabhängig von einigen anderen guten und dikussionswürdigen Argumenten für oder gegen einen Beitritt, seien sie politsch oder wirtschaftlich motiviert — Kann man einen ernst gemeinten Artikel solcherart einleiten? Was würde der Betritt der Türkei kulturell denn wirklich bedeuten? Eine Öffnung der EU in Richtung einer der wichtigsten archäologischen Landschaften Europas und Vorderasiens. Eine Erleichterung des Zusammenarbeit auf Museumsebene mit Einrichtungen wie dem Topkapı Sarayı 0der dem Archäologischen Museum in Istanbul, um nur zwei der großen Häuser der wichtigsten Metropole zu nennen. Kultureller Austausch, der auf sozialer, musikalischer und literarische Ebene längst begonnen hat. Ein Austausch, der genau das kulturelle Verständnis fördern würde, dem sich Jacques Schuster und Roger Köppel verweigern. Zeigt mir Euer Europa, das ohne diese Einflüsse gewachsen ist. Zeigt mir Euer Europa, das seine Ursprünge nur in Rom, Paris und Berlin hat. Ein solches Europa gibt es nicht. Kulturell wäre die Türkei eine wichtige Bereicherung. Auch, um sich über die eigenen Wurzeln klar zu werden.