Macht & Geld
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Warum wir Journalisten falsch ausbilden — und wie das die Zukunft der Medien gefährdet

Ein Mann liest Nachrichten auf einem iPad

In einem klas­sis­chen Volon­tari­at ler­nen Nach­wuchs-Jour­nal­is­ten eine ganze Menge: Recher­chieren, Schreiben, Fotografieren — und einiges mehr. Doch eins ler­nen sie nicht: Geld ver­di­enen. Ein fataler Fehler.

»Pri­vat haben wir kein gesteigertes Inter­esse an Geld, son­st wären wir kaum im Jour­nal­is­mus gelandet.«
Frauke Lübke-Nar­ber­haus, Redak­tion­slei­t­erin bento.de

Im Branchen­blatt »Jour­nal­ist« wurde Redak­tion­slei­t­erin Frauke Lübke-Nar­ber­haus kür­zlich mit ein­er Selb­staus­sage ihres Arbeit­ge­bers bento.de kon­fron­tiert: »Wir bericht­en, was in der Welt passiert und was wichtig ist, unab­hängig von irgendwelchen Inter­essen«, so das State­ment des Spiegel-Online-Ablegers. »Schöne Aus­sage«, kon­sta­tierte die Kol­le­gin vom Jour­nal­ist — und hak­te nach: »Gilt das auch für das Inter­esse, Geld zu ver­di­enen?« Lübke-Nar­ber­haus› Antwort? So lakonisch wie unge­fähr: »Pri­vat haben wir kein gesteigertes Inter­esse an Geld, son­st wären wir kaum im Jour­nal­is­mus gelandet.« Eine char­mante Antwort, eine mit Augen­zwinkern. Aber auch eine, die mir das Dilem­ma unser­er Branche wieder vor Augen führte.

Immer wieder heißt es, Jour­nal­is­ten wür­den ihren Beruf nicht wählen, um Geld zu ver­di­enen, son­dern um einem höheren Inter­esse zu dienen — oder aus Pas­sion. Das ist nicht falsch und war zumin­d­est solange zu akzep­tieren, wie ihre Arbeit­ge­ber, die Medi­en­häuser und Ver­lage, ihr Geschäftsmod­ell im Griff hat­ten. Solange ein Jour­nal­ist sich nicht dafür inter­essieren musste, wie das Geld auf sein Kon­to kam, kon­nte man sich diesen Luxus dur­chaus leis­ten. Doch diese Zeit­en sind vorbei.

Die Mauern bei den Publishern bröckeln

Warum wir Journalisten falsch ausbilden — und wie das die Zukunft der Medien gefährdet.

Seit Jahren schon bröck­eln auch bei Pub­lish­ern die Mauern zwis­chen den Abteilun­gen — wenn auch langsam. Redak­tion und Online-Mar­ket­ing kooperieren nicht nur in SEO-Fra­gen (Warum SEO für den Jour­nal­is­mus so wichtig ist, hat Titus Gast ger­ade erst ganz wun­der­bar erk­lärt), son­dern auch bei Social-Media-Strate­gien und neuen Erzählfor­men. Online-Mar­ket­ing und Ver­trieb kooperieren, um das kom­plex­er wer­dende Anzeigengeschäft aufrecht zu erhal­ten und sich dem Ver­fall der Ban­ner­wer­bung ent­ge­gen­zustellen. Und Redak­tion und Ver­trieb kooperieren, um neue Pro­duk­te zu entwick­eln. Längst näm­lich haben sich Spon­sored Posts und Native-Adver­tis­ing-For­mate entwick­elt, die neben Mar­ket­ing- oder Ver­triebs- vor allem erzäh­lerischen Input brauchen.

»Um unab­hängi­gen Jour­nal­is­mus betreiben zu kön­nen, muss man wis­sen, von wem man finanziell abhängig ist.«

Dabei ist die Strate­gie nicht ein­heitlich. Einige Pub­lish­er entschei­den sich kom­plett gegen Native Adver­tis­ing, andere dafür, eine eigene Ver­triebs-Redak­tion aufzubauen. In wieder anderen Redak­tio­nen traut man den Kol­le­gen dur­chaus zu, die ver­schiede­nen Inter­essen auseinan­derzuhal­ten und bei­de Auf­gaben par­al­lel zu bewältigen.

Doch trotz dieser Unter­schiede hat sich in den let­zten Jahren bei eini­gen Pub­lish­ern ein Aus­tausch zwis­chen den Abteilun­gen etabliert. Und für den braucht es: Know-how. Wer auf Redak­tion­s­seite keine Ahnung davon hat, wie sein Medi­um Geld ver­di­ent und vor allem, mit wem, der kann sein Gegenüber nur schw­er ver­ste­hen. Erin­nere ich mich nun an mein eigenes Volon­tari­at, habe ich da unglaublich viel gel­ernt. Ich habe Seit­en gestal­tet, Inhalte gewichtet, recher­chiert, geschrieben, fotografiert und pro­duziert — und einiges mehr. Doch eins hat mir nie­mand erzählt: Wovon der Ver­lag, der mich aus­ge­bildet hat, eigentlich lebt. Dabei wäre das so wichtig.

Aber wie sieht das heute aus — acht Jahre später? Hat sich in der Aus­bil­dung etwas getan? Wer kön­nte das bess­er wis­sen als Nach­wuchs-Jour­nal­is­ten selb­st — also habe ich sie gefragt. Natür­lich nicht alle, aber knapp zehn Volon­täre, von Tageszeitun­gen, aus dem Öffentlich-rechtlichen Rund­funk und von Radiosendern. Keine repräsen­ta­tive Mark­t­forschung, soviel ist sich­er, aber das Bild ist glaube ich schär­fer als es der Auss­chnitt ver­muten lässt. Einige der Ergeb­nisse beziehungsweise Eindrücke:

  1. Begriffe wie TKP, CTR oder CPC, Pro­gram­mat­ic, RTB oder RTA sind so gut wie unbekannt.
  2. Wenn in den Medi­en­häusern über Entwick­lun­gen im Bere­ich Native Adver­tis­ing disku­tiert wird, dann unter Auss­chluss der Volontäre.
  3. Etwa der Hälfte der Volon­täre wird nicht erzählt, wie ihre Medi­en­häuser oder Ver­lage ihr Geld ver­di­enen — und in keinem der Medi­en­häuser oder Ver­lage ist die wirtschaftliche Seite des Jour­nal­is­mus Teil der Ausbildung.

Austausch? Bitte nicht nur auf Chef- oder Redaktionsleiter-Ebene

Warum wir Journalisten falsch ausbilden — und wie das die Zukunft der Medien gefährdet.

Das Gravierende daran: So gut wie jed­er der befragten Volon­täre würde sich mehr Input wün­schen. »Um unab­hängi­gen Jour­nal­is­mus betreiben zu kön­nen, muss man wis­sen, von wem man finanziell abhängig ist«, sagte mir zum Beispiel eine Kol­le­gin. Solche Kent­nisse, so ein ander­er, seien wichtig, um den eige­nen »Stan­dort« her­auszufind­en: »Von wem sind wir wirtschaftlich abhängig, mit wem ver­bun­den? Das sollte man wis­sen — ein­fach, um seinen Platz im Sys­tem zu ken­nen.« Und eine dritte Kol­le­gin wün­scht sich diesen Input, weil sie es wichtig finde zu ver­ste­hen, wie sich der Ver­lag organ­isiert. Ein weit­er­er Wun­sch: »Dass sich die ver­schiede­nen Bere­iche regelmäßig aus­tauschen — nicht nur auf Chef- oder Redak­tion­sleit­er-Ebene.« In den USA, wo die jour­nal­is­tis­che Aus­bil­dung stärk­er als hierzu­lande an den Uni­ver­sitäten passiert, tut sich in diesem Bere­ich deut­lich mehr, doch auch hier forderte Deb­o­ra Wenger von der Meek School of Jour­nal­ism & New Media vor weni­gen Tagen: »Teach your stu­dents more about the busi­ness of journalism.«

»Von wem sind wir wirtschaftlich abhängig, mit wem ver­bun­den? Das sollte man wis­sen — ein­fach, um seinen Platz im Sys­tem zu kennen.«

Wer nun glaubt, mit ein­er solchen Forderung schade man dem Jour­nal­is­mus an sich, für den es nie und niemals um Geld gehen dürfe, dem muss ich wider­sprechen. Eine solche Ein­stel­lung halte ich nicht nur für über­holt, ich halte sie auch für gefährlich. Ganz gle­ich, wie sich ein Medi­en­haus neuen Wer­be­for­men und neuen jour­nal­is­tis­chen For­mat­en gegenüber auf­stellt: Das Know-how darüber, wie das Pro­dukt, das Jour­nal­is­ten da draußen Tag für Tag pro­duzieren, finanziert wer­den kann, ist essen­tiell für das Über­leben dieser Branche. Nur ein Jour­nal­ist, der um solche Dinge weiß, kann sich für oder gegen bes­timmte Dinge entschei­den. Nur ein Jour­nal­ist, dem man beige­bracht hat, welche Möglichkeit­en es gibt, kann bewusst seinen Weg ein­schla­gen. Je mehr Unwis­senheit es auf Seit­en der Redak­tio­nen gibt, desto größer wird die Ablehnung. Was ich nicht kenne, macht mir erst mal Angst. Das ist auch hier so.

Nicht umson­st berichtet Peter Pauls, Chefredak­teur des Köl­ner Stad­tanzeigers, über seine sieben Jahre als rechte Hand des Ver­legers Alfred Neven DuMont, er habe in dieser Zeit unge­mein viel gel­ernt, auch über die wirtschaftliche Seite des Berufs. Mehr noch, so Tim McGuire, der unter anderem an der Ari­zona-State-Uni­ver­si­ty lehrt, sei dieses Wis­sen auch wichtig für die Weit­er­en­twick­lung und den Fortbe­stand des Jour­nal­is­mus selb­st: »News is now a com­mod­i­ty, so we think it’s cru­cial to have stu­dents think­ing about the cus­tomer because they will be going into news­rooms fight­ing to sur­vive. Only the cre­ative and inno­v­a­tive are going to survive.«

Dass es auch anders geht, zeigen die sel­te­nen Aus­nah­men. So schreibt Mer­le Borne­mann über ihr Volon­tari­at beim Schleswig-Hol­steinis­chen Zeitungsver­lag, sie habe auch Abteilun­gen außer­halb der Redak­tion ken­nen­gel­ernt: »Teil des Volon­tari­ats ist neben den Ein­sätzen in Print- und Online-Redak­tion auch die ver­lagswirtschaftliche Prax­is in allen Bere­ichen von Anzeigen bis Zustellge­sellschaft. Diese Ein­blicke haben mir sehr geholfen, Zusam­men­hänge zu ver­ste­hen.« (Text inzwis­chen lei­der offline)

Es ist der einzige Bericht dieser Art, den ich gefun­den habe.

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