Gerade erst hat mein Kollege Daniel Hüfner geschrieben, warum Tech-Journalisten so viele Pressemitteilungen ignorieren, da kommt eine Kollegin aus Glasgow und macht alles richtig. Mit einem ziemlich billigen Trick.
»In unserer agenturinternen Liste der besten Brathähnchenblogger bist Du auf jeden Fall ganz oben.« Als ich diesen Satz heute in einem Text von Maximilian Buddenbohm zum Verhältnis zwischen PR-Abteilungen und Bloggern gelesen habe, muss ich mehr als nur schmunzeln. Wie bekannt mir das doch vorkommt! Schließlich hat es gute Gründe, dass diese Seite ein kleines Banner hat, auf dem »Ad-free Blog« steht. Hier gibt es keine Werbung. Und doch bekomme ich wie so viele Blogger Woche für Woche mehr oder weniger plumpe Angebote — zum Linktausch, für Anzeigen oder Sponsored Posts. Fair enough — für so was habe ich einen Autoresponder.
Lea aus Glasgow aber hat dieser Autoresponder nicht abgeschreckt. Ihre Antwort darauf? So dreist, dass man sie schon wieder lieben muss: »Auf Deinem Profil hatte ich gelesen, dass Du schottischen Whisky magst und da dachte ich, würden schottische Kopfhörer ganz gut zu passen.« Zumindest hat sich jemand mit meinem Profil auseinandergesetzt, denke ich kurz und beginne eine kleine Recherche. »RHA ist ein britisches Unternehmen, das sich mit der Produktion von Kopfhörern einen Namen gemacht hat«, steht auf der Seite von Leas Arbeitgeber. Den Namen, den sich das Unternehmen gemacht haben will, kenne ich zwar noch nicht, aber das heißt nichts. Und genau einen dieser Kopfhörer will Lea mir schicken.
Edelstahl: Kalt, schwer, sperrig?
Ich gucke mich um. Meine Tracks von AIAIAI lösen sich ganz langsam in Wohlgefallen auf und das Paar Shure E2G, das mich einige Jahre treu begleitet hat, ist gerade mit Kabelbruch den Weg alles Irdischen gegangen. Bliebe noch der Sennheiser HD 580, aber der ist nur was für zu Hause. Lea hat Glück. Und ich vielleicht auch. So ein Paar Kopfhörer für alle Lebenslagen, das wär’s. Eins, das ich auf Reisen genauso mitnehmen kann wie bei der Fahrt in die Redaktion, beim Joggen genauso wie beim Einkaufen.
Eine Woche später liegt ein kleines Päckchen bei mir auf dem Tisch. Darin: der T10i, ein In-Ear-Kopfhörer aus Schottland. Und aus Edelstahl. Kurz hat mich der Gedanke an das Metallspritzguss-Gehäuse abgeschreckt. Das klingt kalt, schwer, sperrig, nicht nach einem Kopfhörer, der auch zum Laufen taugt. Ich hatte Lea das auch geschrieben und ihre ehrliche Antwort hatte mich bestärkt, das Paar zumindest auszuprobieren. »Man kann den T10i durchaus zum Sport machen benutzen«, hatte sie geschrieben. »Jedoch, wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass er nicht zum Sport machen entworfen wurde.«
Spannende Spielerei: Die Tuning-Filter
Auch die Kabelführung des T10i macht zunächst den Eindruck, nichts für allzu aktive Menschen zu sein. Anders als bei vielen anderen In-Ear-Modellen hat RHA das »konturangepasste Kabel«, das hinter dem Ohr lang geführt wird, verstärkt — mit einer Art Spirale, durch die sich das Kabel der Ohrmuschel anpassen lässt. Dazu kommt: RHA verbaut im T10i ein »mehradriges, verstärktes, sauerstofffreies Kupferkabel«, was zwar nach Qualität, aber bei einer Länge von 1,35 Meter ebenfalls nach ordentlich Gewicht klingt.
Die Realität bestätigt all meine Befürchtungen zunächst. Die 41 Gramm des schottischen Kopfhörers sind spürbar mehr als die 30 Gramm des Shure, das Kabel ist deutlich dicker als das der meisten aktuellen In-Ear-Kopfhörer, die ich mir angesehen habe, und der formbare Ohrbügel macht nicht den Eindruck, allzu bequem zu sein. Dafür bringt der T10i eine spannende Spielerei mit: drei Tuning-Filter zur Frequenzganganpassung. Neben dem Referenzfilter »mit RHAs natürlichem Klangbild« gibt es auch je zwei Filter für die Bass- und Höhenanpassung, die sich in den T10i eindrehen lassen.
Erst mal einen Whisky eingießen
Besonders positiv fällt die Menge an Ohrstöpseln auf, die RHA mitliefert: Sechs Paar »Dual-Density-Ohrstöpsel«, zwei paar »Doppelflansch-Ohrstöpsel« und zwei paar Schaumstoff-Ohrstöpsel in verschiedenen Größen liegen dem T10i bei. Für Ohren, die nicht dem Industrie-Standard entsprechen, ein gutes Zeichen. Und so passt eins der Ohrstöpsel-Paare denn auch bei mir.
Ein erster Test im Alltag macht auffallend viel Spaß. Nachdem ich zu Hause schon mit den Filtern rumgespielt und für mich entschieden habe, erst mal bei der Referenz zu bleiben, überrascht mich die gut abgestimmte Mischung aus Geräuschisolierung und Klangqualität. Und obwohl das Meiste an Lärm draußen bleibt, habe ich nicht das Gefühl, komplett von der Welt abgeschnitten zu sein — wohl auch, weil RHA auf eine aktive Geräuschunterdrückung verzichtet. Nur mit Gegenwind hat der T10i so seine Schwierigkeiten, den quittiert er mit einem deutlichen Pfeifen. Aber damit ist dieser Kopfhörer ja leider nicht alleine.
Der Klang (Frequenzbereich: 16 Hz bis 22 kHz, Impedanz: 16 Ohm) selbst ist äußerst sauber, in ruhigen Momenten bilde ich mir ein, das Edelstahl-Gehäuse sorge für eine gewisse Stabilität. In jedem Fall aber bildet dieser kleine Kopfhörer mindestens so detailreich ab wie meine alten Shure. Dabei sind Bässe und Mitten angenehm warm, so ganz neutral mag der RHA nicht sein. Erst mal einen Whisky eingießen, der passt zum Klangbild. Und wer jetzt wissen will, was die beiden anderen Filter können: genau das, was sie sollen. Sie verstärken entweder Bässe oder Höhen. Für basslastige Musik wie Jazz oder Metal oder luftige Aufnahmen wie Klassik eine wirklich spannende Idee.
Ein Marathon mit Kopfhörern? Nein, danke!
Doch was ist jetzt eigentlich mit dem Sport? Zumindest meine Befürchtung, das Edelstahl könnte sich kalt anfühlen, ist schnell verflogen. Nach wenigen Sekunden mit dem passen Ohrstöpsel liegt der T10i richtig gut im Ohr, das Gewicht ist zumindest im Alltag eher Vorteil als Nachteil, das Ding sitzt. Und auch das Kabel hinter dem Ohr fühlt sich nach wenigen Momenten an wie eine Stütze. Also raus mit uns beiden, eine Runde um den See drehen. Und wie Lea schon geschrieben hat: Der T10i wurde nicht zum Sport machen entworfen. Aber: Das heißt noch lange nicht, dass man ihn dafür nicht benutzen kann.
Eins vorneweg: Einen Marathon würde ich mit dem T10i wohl nicht laufen, aber das gilt vermutlich für fast alle (guten) In-Ear-Kopfhörer. Nach spätestens 90 Minuten wird der Druck dann doch unangenehm. Und noch etwas: Menschen schwitzen beim Sport — auch am und im Ohr (WTF?!), weshalb ich beim Laufen mit dem T10i statt der Silikon- die etwas härteren Doppelflansch-Ohrstöpsel nutze. Die rutschen auch bei längeren Läufen nicht raus. Das einzige, das trotzdem rutscht, ist das Kabel — Eigengewicht und Fernbedienung sei Dank. Doch auch dieses Problem lässt sich mit der mitgelieferten Kabelklemme schnell lösen.
»So ein Paar Kopfhörer für alle Lebenslagen, das wär’s.« Nach fast zwei Monaten im Test muss ich sagen: Das haben RHA mehr als ordentlich hinbekommen. Das Design: preiswürdig. Die Verarbeitungsqualität: vorbildlich. Und dazu kommt ein Klang, der nicht nur mit beinahe jeder Situation, sondern auch mit beinahe jeder Musik klar kommt. Ein mit rund 180 Euro zwar nicht ganz günstiges, aber durchaus preiswertes Beinahe-rundum-sorglos-Paket. Bleibt nur die Frage, welches Produkt ich als nächstes teste. Aber das überlass ich mal der Phantasie all der PR-Abteilungen da draußen. Brathähnchen mag ich übrigens sehr gerne. Und bei allen anderen Ideen hilft Lea bestimmt gerne. Sláinte!
Fotos: © RHA