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Maabrändi: Wie Finnland an seinem Image schraubt

Drei Jugendliche auf BMX-Rädern fahren bei Sonnenuntergang eine Straße hinunter

Finn­lands Touris­mu­sor­gan­i­sa­tio­nen begeis­tern mich immer wieder aufs Neue. Wieviel Liebe, Zeit, Geld und pos­i­tive Energie dieses Land in seine Kam­pag­nen steckt, ist beein­druck­end. Das Ergeb­nis: Wun­der­bare Broschüren, Filme und Ver­anstal­tun­gen, deren erstk­las­sigem Design und Hochglanz­in­halt es neben vielem anderen zu ver­danken ist, dass Jahr für Jahr mehr Men­schen nach Finn­land kom­men. Doch eins fällt auf: Das Meiste davon ist ziem­lich weit ent­fer­nt von der Wirklichkeit.

Ein neues Beispiel für eine solche Kam­pagne liefern derzeit die Stadt Oulu im Nor­den und der Nation­al­park Syöte etwa 140 Kilo­me­ter nordöstlich davon. Oulu mit seinen 200.000 Einwohner*innen ver­sucht, sich in dem gut drei Minuten lan­gen Video als Fahrrad­haupt­stadt Finn­lands zu posi­tion­ieren, was bei 800 Kilo­me­tern inner­städtis­ch­er Fahrrad­wege keine ganz schlechte Strate­gie sein dürfte — immer­hin wer­den 22 Prozent aller Streck­en in Oulu per Rad zurück­gelegt. Man stelle sich das mal in ein­er deutschen Großs­tadt vor. Doch als Motor für den Touris­mus? Taugt ein solch­es Argu­ment allein eher nicht — Finn­land ist nicht Holland.

Finnische Städte sind nicht nur voller radelnder Familien und glücklicher Teenager*innen

»Neben den Klis­chee­bildern hat sich Finn­land auch als Spitzen­land in Sachen Leben­squal­ität, Gle­ich­heit und Bil­dung etabliert, das für saubere Natur, High-Tech und die Lösung gesellschaftlich­er Prob­leme steht.«
Pauli­ina Pulkki­nen: »Finn­lands Image im Aus­land ist schwach, aber positiv«

Genau deshalb verknüpft Oulu sein Image als Fahrrad­stadt gekon­nt mit dem Nation­al­park, der — für finnis­che Ver­hält­nisse — vor der Tür liegt (»Syöte Nation­al Park and tourist resort is locat­ed less than two hours from Oulu«) und der mit mehr als 150 Kilo­me­tern markiert­er Bike-Routen dur­chaus als Paradies für Zweirad­fans gel­ten darf. Und um diese Verbindung hinzukriegen, bedi­ent sich die Touris­mus­be­hörde von Oulu — mit Unter­stützung des »Zen­trums für Wirtschafts­förderung, Verkehr und Umwelt« sowie Geldern der EU — ein­er pathetis­chen musikalis­chen Unter­malung und beein­druck­end schön­er Film­szenen und Luftaufnahmen.

Es ist diese Art von Image-Video, von der in Finn­land in den ver­gan­genen Jahren eine ganze Menge ent­standen sind. Natür­lich zeigen sie meist wenig vom wirk­lichen All­t­ag — denn auch Oulu ist, wie so viele finnis­che Städte, keineswegs nur schön und voller radel­nder Fam­i­lien und glück­lich­er Teenager*innen auf BMX-Rädern. Umso mehr aber zeigen sie das Selb­stver­ständ­nis dieses Lan­des und den Ver­such, auch visuell eine Marke zu wer­den und sich so auf dem Touris­mus-Markt zu behaupten.

Und das ist auch nötig. Das Image von Finn­land im Aus­land näm­lich ist schwach, wenn auch bed­ingt pos­i­tiv beset­zt — eine Studie fasst es mit den Begrif­f­en dunkel, kalt und weit zusam­men. Auch diesem Image arbeit­et dieser Film also ent­ge­gen — so wie viele andere Kam­pag­nen auch. Die Schlag­worte dabei: Entspan­nung und Natur, Nach­haltigkeit und Bil­dung, Design und Kul­tur, Sport und Freizeit, wirtschaftliche Stärke und fre­undliche Men­schen. Finn­land arbeit­et an sein­er »maabrän­di« — an sein­er Ländermarke.

Nation Branding: Ein neues, möglichst unverwechselbares Image

Das allein nun wäre noch nicht ungewöhn­lich, jede Region, jede Stadt, die etwas auf sich hält, nutzt die Meth­o­d­en des Des­ti­na­tion Brand­ing, um im Touris­mus Fuß zu fassen oder sich gegen die Konkur­renz abzuheben. Und was für Städte und Regio­nen gilt, kann für Län­der nicht ganz schlecht sein. Doch das Nation Brand­ing geht noch weit­er. Es ist der Ver­such, ganzen Staat­en ein neues, möglichst unver­wech­sel­bares Image zu verpassen.

Inter­es­sant wer­den solche Ver­suche, wenn es nicht darum geht, einem neg­a­tiv­en oder zumin­d­est schwieri­gen Image ent­ge­gen­zuwirken oder auf Krisen oder Katas­tro­phen zu reagieren, son­dern darum, ein eigentlich pos­i­tives Image neu zu beset­zen. Fra­gen Sie mal in Ihrem Bekan­ntenkreis nach: Wom­it verbinden die Men­schen Finn­land? Tausende von Seen kön­nten die Antwort sein, die Sauna natür­lich, das nordis­che Kli­ma ver­mut­lich. Die gesunde Wirtschaft und das vor­bildliche Bil­dungssys­tem, und vielle­icht auch eine der ver­rück­ten Sportarten wie Schlammfußball.

Im »Nation Brands Index« liegt Finnland nur auf Platz 17

Doch mit dem Fahrrad­fahren beispiel­sweise verbinden die Men­schen Finn­land kaum, eben­so wenig mit ein­er erstk­las­si­gen, unver­wech­sel­baren Küche. Genau diese The­men aber ver­sucht Finn­land seit einiger Zeit für sich in Anspruch zu nehmen und das kommt nicht von unge­fähr. Im soge­nan­nten »Nation Brands Index«, der ver­sucht, die Rep­u­ta­tion und das Image in ver­schiede­nen Bere­ichen zu messen, liegt Finn­land nur auf Rang 17 — den 1. Platz belegt Deutsch­land, gefol­gt von Frankre­ich und Großbri­tan­nien. Für ein Land, das es jet­zt — beispiel­sweise im Bil­dungs- oder Tech­nolo­gie-Sek­tor — etliche Jahre gewohnt war, zur Avant­garde zu zählen, eine Herausforderung.

»Sinn und Zweck der Län­der­marke ist nicht auch, den Export zu unter­stützen, qual­i­fizierte Arbeit­skräfte ins Land zu holen, die Investi­tions­bere­itschaft in Finn­land zu unter­stützen, die Zuge­hörigkeit zur inter­na­tionalen Gemein­schaft zu fördern und natür­lich, die nationale Iden­tität zu stärken.«
Pauli­ina Pulkki­nen: »Finn­lands Image im Aus­land ist schwach, aber positiv«

Doch das Nation Brand­ing, wie es nicht nur Finn­land, son­dern fast alle mark­twirtschaftlich geprägten Staat­en betreiben, hat deut­lich mehr als nur touris­tis­che Gründe. Auch für die heimis­che Wirtschaft und den Export, den Arbeits­markt und die nationale Iden­tität ist es ein immer wichtiger wer­den­der Hebel. Ger­ade in diesen Bere­ichen aber ste­hen Finn­land nicht die ein­fach­sten Zeit­en bevor. Nicht nur denkt das Land — wie auch Schwe­den — auf­grund der Ukraine-Krise darüber nach, der NATO beizutreten, die immer schär­fer­en Sank­tio­nen gegen Rus­s­land gefährden auch die heimis­che Wirtschaft — kein anderes Land der EU tre­f­fen die Auswirkun­gen der poli­tis­chen und wirtschaftlichen Maß­nah­men so hart wie Finn­land.

Das Umdenken wird schon deut­lich, wenn man in Finn­land ankommt, am Fluhafen in Helsin­ki-Van­taa etwa — oder sog­ar schon etwas früher. Seit dem Früh­jahr 2013 gibt es eine inten­sive Koop­er­a­tion zwis­chen der größten finnis­chen Fluglin­ie Finnair und einem der führen­den finnis­chen Design- und Mod­e­la­bels: Marimekko. Tex­tilien und Geschirr der Kollek­tion »Marimekko for Finnair« an Bord aller Finnair-Maschi­nen oder ein Air­bus 340 mit ein­er Lack­ierung im leg­endären Marimekko-Design »Unikko« sind nur zwei Beispiele für diese Zusam­me­nar­beit. Und auch am Flughafen selb­st find­et sich finnis­ches Design an jed­er Ecke — in Form von Geschirr, Deko­ra­tion oder der Arbeits­bek­lei­dung der Mitarbeiter*innen. Ganz selb­stver­ständlich wird die Design­tra­di­tion des Lan­des in das Mar­ket­ing inte­gri­ert — auch, weil es sowohl wirtschaftlich wie auch touris­tisch ein nicht zu unter­schätzen­der Fak­tor ist.

Die maabrändi — eine »Aufgabe für Finnland«

Wie hoch Finn­land seine »maabrän­di« ansiedelt, zeigt schon die per­son­elle Beset­zung durch das Außen­min­is­teri­um. Nie­mand gerin­geres als Nokias ehe­ma­liger CEO Jor­ma Ollila wurde als Leit­er der Arbeits­gruppe Nation Brand­ing mit der Auf­gabe betreut, das Image des Lan­des neu zu beset­zen. Und das tat diese Gruppe nicht etwa hin­ter ver­schlosse­nen Türen oder nur im Aus­tausch mit Mar­ket­ing- und Wirtschafts-Experten. Auch mit Hil­fe des Inter­nets und von Social Media, Diskus­sion­srun­den im Fernse­hen oder im Radio sowie durch Sem­i­nare wur­den die Finn*innen selb­st in diese »Auf­gabe für Finn­land« mit einbezogen.

Dieses Besin­nen auf die eigene Bevölkerung dürfte kein Zufall sein. Zu lange ist die Geschichte des Lan­des von anderen geschrieben wor­den, von Schwe­den oder nicht zulet­zt Rus­s­land beispiel­sweise. »Finn­land will seine Sto­ry selb­st erzählen, son­st tun es andere«, heißt es beze­ich­nen­der­weise auf der Seite der finnis­chen Botschaft in Berlin zu diesem The­ma. Und ganz gle­ich, welche Mar­ket­ing-Kam­pagne der let­zten Jahre man sich anguckt: Wenn Finn­land eines bis zur Per­fek­tion beherrscht, dann das Geschichtenerzählen.

Screen­shot: YouTube

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