Reise, Reise
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Mit 33 Knoten nach Norden

Eine Treppe auf einem Schiff führt von einem Deck nach unten

Die Geschichte, wie aus der »Finnjet« die »Da Vin­ci« und später die »King­dom« wurde, ist trau­rig. Sie begin­nt im Okto­ber 2005, als die schnell­ste kon­ven­tionelle Fähre der Welt an ein­er Pier im Hafen von Baton Rouge, Louisiana, anlegt. Davor hat­te das 215 Meter lange, weiß-blaue Schiff 20 Jahre lang zwis­chen Travemünde und Helsin­ki, später zwis­chen Ros­tock und Sankt Peters­burg verkehrt. Eine Route, die es für viele Men­schen zu ein­er Leg­ende gemacht hat.

Baton Rouge aber sollte nicht die let­zte Sta­tion für die Finnjet sein. Von hier, wo die Fähre als Notun­terkun­ft für Opfer von Hur­rikan Kat­ri­na gedi­ent hat­te, wird sie im Dezem­ber 2007 für rund elf Mil­lio­nen Dol­lar an die nieder­ländis­che Reed­erei Club Cruise verkauft, die aus ihr ein Kreuz­fahrtschiff machen will, und am 16. Jan­u­ar 2008 in Da Vin­ci umbe­nan­nt. Die restliche Geschichte ist schnell erzählt. Trotz etlich­er Bemühun­gen — auch aus Finn­land — die Finnjet alias Da Vin­ci wieder in ihre Heimat zu über­führen und in Turku mit einem kom­binierten Nutzungskonzept zu erhal­ten, geht ihre Reise weit­er — zunächst als »King­dom« unter pana­mais­ch­er Flagge. Und schließlich, im Mai 2008, wird die ehe­mals stolze Finnjet für 9,85 Mil­lio­nen Dol­lar zum Abwrack­en nach Indi­en verkauft.

Dort, am Strand von Alang, wird die Fähre seit­dem auseinan­dergenom­men. Ein gefährlich­es Geschäft, und dazu die dreck­ig­ste Arbeit der Welt. Für mich aber wird da, im Golf von Khamb­hat, nicht nur ein Schiff, für mich wird da auch eine Erin­nerung zer­legt und ver­scher­belt. Die Finnjet ist das Schiff, mit dem ich meine erste Reise nach Finn­land gemacht habe — meine erste Schiff­s­reise über­haupt. Sie ist das Schiff, auf dem ich gemerkt habe, wie wichtig es sein kann, sich einem Ziel langsam zu näh­ern, wie gut die Entschei­dung sein kann, nicht in weni­gen Stun­den 1.000 Kilo­me­ter weit­er nördlich zu sein.

Ein klein­er Trost mag es sein, dass es auch heute noch Schiff­s­pas­sagen zwis­chen Deutsch­land und Finn­land gibt und dass Finnlines mit der Finnstar, der Finn­maid und der Finnla­dy täglich zwis­chen Travemünde und Helsin­ki verkehrt. Und doch denke ich selt­sam wehmütig an dieses eine Schiff zurück, von dem aus ich im Som­mer 1996 zum ersten Mal finnis­chen Boden betreten habe. Hyvää matkaa, Finnjet.

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