Kaum ist der Film »Tal der Wölfe« in den Kinos, bricht ein Sturm der Empörung los. Man ist sich einig. Der Film ist gewaltverherrlichend, antiamerikanisch, blutrünstig. Und damit haben die Kritiker auch Recht. Es wundert nur, dass ausgerechnet jetzt der Aufschrei kommt, wo alles von Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und dergleichen redet. Gilt diese Freiheit denn für das Kino nicht?
Die FAZ schreibt vorgestern über den türkischen Spielfilm, er schockiere »mit blutigem Antiamerikanismus und antisemitischen Stereotypen.« Weniger deutlich formuliert, »jedoch stets im Subtext von Bildern und Dialog enthalten«, sei das »Plädoyer des Films für den türkischen Nationalismus.« Der WDR verurteilt »Tal der Wölfe« als Propaganda, für den Spiegel dient er einzig und allein dazu, bestehende Gräben zwischen den Kulturen zu vertiefen. Kino aber darf das. Soviel Ehrlichkeit muss wohl sein. Man muss solche Filme nicht mögen und soll sie diskutieren, doch moralische Argumente sind hier so ehrlich wie Silvio Berlusconi im Wahlkampf.
Ein kleiner Blick auf amerikanische Produktionen verdeutlicht, was hier so alles über die Ladentheke geht, ohne Gegenwehr zu erregen. Der 2001 gedrehte Film »Behind Enemy Lines« etwa stellt tapfere, aufrechte Amerikaner einem Haufen ungewaschener, kettenrauchender und strunzdummer muslimischer Bosnier entgegen. In »Black Hawk Down« gefällt es Ridley Scott, uns den Somalier an sich als blutrünstigen Killer zu verkaufen, den es auszulöschen gilt — im Namen der Freiheit. Und selbst das Sozialdrama »Return to paradise« besticht mit nichts als einer etwas zu einfachen (aber funktionierenden) Formel: Die guten Amerikaner (obwohl so dämlich, in Malaysia mit Drogen zu experimentieren) haben zwar ein Problem, aber eben nicht mit der Moral, sondern mit den fiesen und bestechlichen Asiaten. Es gibt nur einen Unterschied zwischen solchen Hollywood-Produktionen und dem jetzt angelaufenen türkischen Film und das ist die Gewöhnung. Die Gewöhnung an das alte Schema von Gut und Böse.
Cem Özdemir, der es besser wissen sollte, schreibt im Spiegel: »Der Regisseur Serdar Akar macht es sich zu einfach, wenn er auf amerikanische Kriegsfilme verweist, in denen Asiaten rassistisch dargestellt werden. […] Und so wie ich der dänischen Zeitung ›Jyllands-Posten‹ unterstelle, die Mohammed-Karikaturen ganz bewusst veröffentlicht zu haben, um zu provozieren und Gräben zu vertiefen, gilt das gleiche für die Personen, die hinter ›Tal der Wölfe‹ stehen.« Nein, Herr Özedmir, damit macht er es sich nicht zu einfach. Zu einfach ist es, Filme aus der Türkei und den USA (um nur diese Beispiele zu nennen) mit zweierlei Maß zu messen. Das Kino für die Propaganda zu nutzen ist nun beileibe keine türkische Erfindung und wird auch heute noch in Deutschland, den USA und anderen westlichen Ländern gerne (wenn auch in verschiedenen Formen) genutzt. Entweder es gibt eine Moral, dann gilt sie für alle oder es gibt sie eben nicht. Bis das geklärt wird (geben wir den Philosophen noch ein paar Jahrhunderte) darf Kino auch provozieren. Und wer ins Kino geht, sollte das vertragen können.
Nachtrag | Dienstag, 21.02.2006, 12:07:26 Uhr: Es gibt doch noch verschiedene Meinungen, siehe Lutz Kinkel im Stern