Wenn ich nebenan in den türkischen Imbiss gehe und eine Falafel oder etwas Baklava kaufe, dann steht vor mir mit großer Wahrscheinlichkeit ein Moslem. Ist er mein Feind? Wer den Karikaturenstreit verfolgt und die Bilder der Nachrichtenkanäle dieser Tage sieht, könnte das denken. Aber wenn ich bezahlt habe und mich veranschiede, spüre ich von alledem nichts. Und doch, Christen und Moslems gehören unterschiedlichen Kulturen an. Vielleicht sind es gerade die gewalttätigen Demonstrationen, die brennenden Botschaften und Fahnen, die uns klar machen, dass sich zwar wirtschaftlich und politisch zusammenarbeiten lässt, die angestrebte Eine Welt ohne Grenzen und Unterschiede aber doch nicht mit wenigen Schritten zu erreichen ist.
Die Filmemacherin Ayaan Hirsi Ali (drehte mit dem 2004 ermordeten Theo van Gogh»Submission (Part I)«), selbst Muslimin und bekannt für ihre islamkritische Haltung hat gestern in Berlin eine vielbeachtete, mutige Rede gehalten: »Schande über jene Zeitungen, die zu feige waren, ihren Lesern die Karikaturen zu zeigen«, sagte sie und sprach von kuschenden Politikern, der Zerstörung von Freiheit und Demokratie und vom Recht, sich über Satire aufzuregen, dass jedoch nicht wie derzeit misbraucht werden dürfe. Ayaan Hirsi Ali hat Recht, auch wenn ihre Rede politisiert, anstatt zu beruhigen. Doch von dem, was wir der Katholischen Kirche, den Palästinensern oder den USA zumuten, dürfen Muslime nicht ausgenommen werden. Da es längst nicht mehr um die Karikaturen der Jyllands-Posten, sondern um die Reaktionen und Reaktionäre geht, gilt Kritik für alle gleich, und »gelungene Kritik ist immer auch das Bemühen um einen Dialog.« (Hendrik Schmidt)
Die beschwichtigenden Worte, die in den letzten Tagen aus Deutschland, vom Zentralrat der Muslime und anderen Organistationen kamen, zeigen vor allem aber Eines: Bei allen Unterschieden zwischen Islam und Christentum, westlicher und arabischer Welt und bei allen Differenzen innerhalb des Islam ist das Vorhaben der Integration vielleicht doch besser gelungen, als mancher Skeptiker angenommen hatte. Mir steht im türkischen Imbiss jedenfalls kein Feind gegenüber. Sondern ein Moslem.