»Ich ging nach Haus und schlief, als ob die Engel gewiegt mich hätten. Man ruht in deutschen Betten so weich, denn das sind Federbetten« meinte Heine. Heute Nacht ruhen die Deutschen, ob in Federn oder nicht, eine Stunde länger.
Wohl kaum ein Mensch wird sich nicht freuen, heute Nacht 60 Minuten mehr Zeit zu haben, um sich zu erholen. Passend dazu, wie von Chronos gelenkt, habe ich mir heute neue Bettbezüge gekauft, in sanften Herbstfarben natürlich, denn der Sommer ist nun endgültig vorbei. Diese eine Stunde mehr aber ist doch eigentlich gar kein Grund zur Freude — schlafen ist out, passé, unschick. Wer kennt nicht Sätze wie »Du willst schon ins Bett? Der Kasten ist doch noch gar nicht leer!« oder »Schlafen kannst Du doch immer noch, wenn Du tot bist« …
In solchen Fällen könnte die Verachtung für den Schlaf noch mit Knatschigkeit über den Spielverderber erklärt werden. Doch auch in der Arbeitswelt ist Schlaf nicht wirklich gerne gesehen. Während in den USA oder Japan der »Power nap« seinen Weg in die Büros und Amtsstuben gefunden hat, in Spanien die »Siesta« schon aus Tradition gepflegt wird, ist der Mittagsschlaf im Alten Europa negativ konnotiert. So etwas tun nur Kinder, Alte und Kranke.
Das Gefühl, etwas eingespart zu haben
Plötzlich aber jubelt die halbe Nation über das Zurückdrehen der Uhren. Möglicherweise liegt es daran, dass die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit und retour jedes Jahr an einem Wochenende passiert, an den Tagen also, an denen Schlaf und vor allem das Ausschlafen wieder etwas positives, etwas familienfreundliches bekommen. Nicht umsonst sind meine schönsten Kindheitserinnerungen genau die Sonntagmorgen mit Ausschlafen, Kuscheln im Bett der Eltern, blauem Sommerhimmel, ausgiebigem »Frümi« und Vivaldis »Vier Jahreszeiten«.
Vielleicht aber hängt die Liebe zur Zeitumstellung gar nicht damit zusammen, dass wir länger schlafen können, sondern damit, dass wird das Gefühl haben, etwas einzusparen. Auch, wenn es nur so etwas abstraktes ist wie Zeit. Denn während Schlafen oft noch verpönt ist, hat das Sparen in der Beliebtheit der Deutschen in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren. Noch beliebter ist eigentlich nur die Leistung. Und vielleicht wird sich der »Power nap« daher sogar durchsetzen können in den nächsten Jahren. Dient er doch — der Name deutet es an — weniger der Erholung des Einzelnen als der Wiederherstellung der Belastbarkeit. Stress ist schließlich schon lange kein Anzeichen mehr dafür, ausgebrannt zu sein, einen Termin mit dem Therapeuten machen zu müssen, sondern für Erfolg, weil die meisten Menschen Stress mit Leistung verwechseln. Inzwischen wird selbst die eine Stunde mehr nach der Umstellung auf die Winterzeit verantwortlich gemacht für ein »Mini-Jetlag«.
Ungeklärte Fragen über den kleinen Bruder des Todes
All das entbindet uns nicht von der Verantwortung, einige elementare Fragen rund um das Schlafen zu klären, zu wenig wissen wir über diesen kleinen Bruder des Todes. Warum eigentlich schlafen wir überhaupt? Warum sind Matratzengeschäfte immer in Ecklokalen untergebracht? Und gibt es der Herr den Seinen wirklich im Schlaf? Dann allerdings wäre es Zeit, diesem charmanten Wunder wieder etwas mehr Respekt entgegen zu bringen. Nicht nur heute Nacht.