Wort & Tat
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Ich verstehe das nicht

Zwis­chen den Toten Hosen und Deichkind, irgend­wann nach Mit­ter­nacht, schick­te die ARD gestern einen Reporter für ihren Spartensender Ein­sPlus über das Gelände von Rock am Ring, der die Auf­gabe hat­te, zehn Frauen zu find­en, die ihm ihre Brüste zeigen.

Absatz.

Ich habe keine rechte Lust, an dieser Stelle die Frage zu disku­tieren, warum die Frauen frei­willig vor laufend­er Kam­era blankge­zo­gen haben und ob das einen Unter­schied macht. Noch weniger will ich zu Gun­sten des Senders und seines Reporters ins Feld führen, dass unter den zehn Frauen auch ein Mann gewe­sen ist — Sex­is­mus wird nicht dadurch bess­er, dass er als Witz gemeint ist. Und über­haupt keine Lust habe ich, mir zu über­legen, ob es denkbar gewe­sen wäre, dass eine Repor­terin auf die Suche nach Män­nern geht, die bei diesem Fes­ti­val intime Kör­perteile in die Kam­era hal­ten — ganz zu schweigen von der Frage, ob ich ver­wun­dert gewe­sen wäre, einen solchen Ein­spiel­er nicht bei der ARD, son­dern bei Sport 1 oder RTL 2 zu sehen — oder bei ARTE. All das näm­lich führt nur zu bil­li­gen Ausre­den. Die Atmo­sphäre eines solchen Fes­ti­vals sei nun­mal aufge­laden, auch sex­uell, schließlich passierten dort vor und hin­ter den Kulis­sen ganz andere Sachen. Es sei doch sog­ar lobenswert, dass ein öffentlich-rechtlich­er Sender wegkommt von der Prüderie früher­er Jahre und — hey! Immer­hin überträgt Ein­sPlus dieses Fes­ti­val. Was für ein Gewinn! Ein Gewinn aber wäre für mich stattdessen eine Antwort auf die Frage, was für ein selt­samer Sport das ist, eine bes­timmte Anzahl an Per­so­n­en zu find­en, die sich für das Fernse­hen nackt machen. Ich hätte gerne eine Erk­lärung dafür, warum ich mir eine solche Berichter­stat­tung gefall­en lassen muss, die mich als Zuschauer vere­in­nahmt und mir Klis­chees und Geschlechter­rollen als selb­stver­ständlichen Teil dessen verkauft, was die Ver­ant­wortlichen bei Ein­sPlus offen­bar über ihr Image und ihre Ziel­gruppe denken. Ich hätte gerne eine Antwort auf die Frage, was für ein_e Redakteur_in sich eine so plump sex­is­tis­che Idee ein­fall­en lässt, und ich will wis­sen, was für eine Redak­tion­skon­ferenz diese dann auch noch durch­winkt — und: wie die Reak­tio­nen darauf waren. Die Frage, ob ich für so etwas wirk­lich Rund­funkge­bühren bezahle(n muss), erübrigt sich ja lei­der von selbst.

15 Comments

  1. Pascal says

    Die Mod­er­a­toren von Ein­splus waren dieses Jahr all­ge­mein anstren­gend. Da ver­misst man doch tat­säch­lich die Zeit­en, wo noch MTV von Rock am Ring übertragen.
    Und der Kom­men­tar von Ein­splus (»Magst du keine Brüste?«), der auch noch von einem dieser unerträglichen Mod­er­a­toren geliked wurde, sagt eigentlich alles aus. Macht den Sender (abseits des Pro­gramms) ziem­lich unsym­pa­thisch. Schade eigentlich. Aber auf Fes­ti­vals geht’s ja den wenig­stens heutzu­tage wirk­lich noch um die Musik…

    • Dieser Kom­men­tar hat mich auch mehr als erstaunt. Wirk­lich auf einen Post einzuge­hen, sieht für mich anders aus.

  2. Ich hab zwar schon während der Toten Hosen abgeschal­tet, aber in der Tat fehlt bei dem von dir Geschilderten doch ein wenig der öffentlich-rechtliche Auf­trag. Ein musikjour­nal­is­tis­ch­er Con­tent wäre ange­brachter gewesen.

    • Wie faulit geschrieben hat: «Ich sag nicht, dass man bei einem Fes­ti­val nicht auch zeigen darf, dass es Leute gibt, die ungewöhn­liche Sachen machen (Dreirad­fahren, Bierbin­go, Brüste zeigen), aber hinzuge­hen und das aktiv zu suchen… ist eine Belei­di­gung für die Intel­li­genz des Zuschauers.»

  3. faulit says

    Man sagt immer, wir hät­ten das Fernseh­pro­gramm, was wir ver­di­enen. Sind wir und ich und alle wirk­lich so sex­is­tisch und … stumpf? Ich sag nicht, dass man bei einem Fes­ti­val nicht auch zeigen darf, dass es Leute gibt, die ungewöhn­liche Sachen machen (Dreirad­fahren, Bierbin­go, Brüste zeigen), aber hinzuge­hen und das aktiv zu suchen… ist eine Belei­di­gung für die Intel­li­genz des Zuschauers.

  4. Die Frage, ob ich für so etwas wirk­lich Rund­funkge­bühren bezahle(n muss), erübrigt sich ja lei­der von selbst.

    Genau­so «lei­der» wie sich die Frage erübrigt ob typ­is­che RTL2-Guck­er Kabarett-Über­tra­gun­gen und Bil­dungssendun­gen bezahlen müssen.
    Anders argu­men­tiert: Die Sendung wird wed­er in der Konzep­tion noch in der Aus­führung son­der­lich viel Geld gekostet haben. Einen Kerl mit nem Mikro­fon und nem Kam­era­mann über ein Fes­ti­vall zu senden ist eine recht bil­lige (vlt. auch preiswert, aber defin­i­tiv bil­lig) Fül­lung für 5–10min. Von daher habe ich per­sön­lich damit weit weniger ein Prob­lem als mit Fußbal­lüber­tra­gun­gen, Volksmusik oder ähnlichem.

  5. tzweik says

    ich (m) habe den «Beitrag» auch gese­hen und anscheinend etwas anders emp­fun­den. Ich fand den Beitrag eben­falls sehr unnütze und er hat auch nicht wirk­lich zur Berichter­stat­tung gepasst. Aber so schlimm war er doch nun auch nicht wie es hier dargestellt wird. Natür­lich ist hier kein Bil­dungsauf­trag vorhan­den, aber wenn wir ehrlich sind kann eine Berichter­stat­tung von Rock am Ring über­haupt keinen Bil­dungsauf­trag erfüllen. Außer­dem fand ich den Beitrag nach anfänglich­er Ver­wirrung was das jet­zt soll dann noch ziem­lich inter­es­sant, denn man kon­nte sehen, dass es sog­ar bei einem solchen Fes­ti­val über­aus schw­er ist Men­schen zu find­en die bere­it sind ihre ganzen Brüste in die Kam­era zu hal­ten (denn das hat glaube ich nur 1 Frau gemacht, die anderen haben lediglich ein Dekoltee gezeigt was unter­schrieben wurde (hätte man mich vorher gefragt hätte ich gesagt man find­et mehr)) aus den USA ken­nt man da viel freizügigere Men­schen (auch wenn der inter­netein­druck hier natür­lich täuschen kann)

    Im Grunde wis­sen wir aber auch alle wie so ein Beitrag enste­ht. Da ist ein kleines, rel­a­tiv junges Team vor Ort und soll Pro­gramm machen. Dann sitzen 5 Leute an einem Tisch und sollen Ein­spiel­er pro­duzieren und was liegt da näher als wett­trinken, matschbaden oder eben Brüste find­en. Und warum sie Brüste suchen und keine männlichen Gen­i­tal­ien (nichts anderes würde ja sinn machen) ist ver­mut­lich auch Dir klar. Übri­gens meine ich solche «Such­wet­tbe­werbe» schon früher bei Das­D­ingTV im SWR gese­hen zu haben. Ein Einzelfall ist es jeden­fall nicht (was aber auch nicht bess­er macht).

    Und zum Schluss bleibt mir lediglich noch zu sagen, dass mich dieses ewige genörgel an Gebühren­gelderver­schwen­dung nervt (Kri­tik ist aber natür­lich trotz­dem erlaubt :), man sollte sich das anschauen was einem gefällt und sich dann sagen, dass meine Gebühren in genau diese Sendung geflossen sind. Andern­falls hast du in diese Sendung ver­mut­lich ca. 0,0000001 Cent in diese Sendung investiert und das tut Dir ja auch nicht weh (mal ganz abge­se­hen von Fuss­ball, da reg sog­ar ich mich dann auf oder diese ewigen Talk­sendun­gen die pro minute mehrere 1000 Euros kosten sollen).

    • Ich habe einige Fäss­er bei meinem Text bewusst nicht aufgemacht, darunter die Frage, warum Frauen bei so etwas mit­machen (wozu auch die Gegen­frage gehören würde, warum sie es nicht tun) und die Gebühren­de­bat­te. Das Prob­lem an diesem Ein­spiel­er ist in meinen Augen gewe­sen, dass er Sex­is­mus eben so schein­bar harm­los ver­packt, dass men­sch aus Reflex denkt, das Ganze sei ja nicht so schlimm. Char­man­ter Reporter, passendes Umfeld, was soll da schon böse dran sein? Auch ich ertappe mich oft dabei, so zu reagieren, eigentlich aber will ich das nicht. Eben­so wenig, wie Sex­is­mus durch Humor bess­er wird, wird er dadurch bess­er, dass er nicht erkan­nt wird oder dadurch, dass Men­schen ihn dulden oder — wie hier — unter­stützen. Das war das, was ich mit vere­in­nah­men meine. Der Beitrag hat auf meinen Reflex geset­zt, ihn harm­los und witzig zu find­en — und dage­gen will ich mich wehren. Zur Gebühren‑ und Bil­dungsauf­trags­frage nur so viel: Im Auf­trag des SWR, der Ein­sPlus ver­ant­wortet, ste­hen eine ganze Menge Punk­te, in die Rock am Ring per­fekt passt. Bil­dung ist da nur ein­er von vie­len. Im Leit­bild des Senders aber ste­hen auch viele wohl klin­gende Begriffe wie »Inte­gra­tion«, »Diver­si­ty Man­age­ment«, »Offen­heit und Tol­er­anz« oder »soziale Ver­ant­wor­tung«. Von einem Sender mit einem solchen Selb­stver­ständ­nis erwarte ich, auch wenn Sex­is­mus im Leit­bild nicht eigens erwäh­nt wird, dass er Beiträge wie diesen nicht zulässt.

  6. verr says

    Ich sah’s live und ver­stand die Welt auch nicht mehr..

    • Mit etwas Glück ver­ste­hen wir sie ein wenig bess­er, wenn der SWR etwas dazu sagt. Über Twit­ter kam bis­lang soviel: »Press­es­telle hat­te bere­its Redak­tion kon­tak­tiert. Entschuldigung: Nie­mand sollte brüskiert, nur ›Wild­heit‹ ver­mit­telt werden.«

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