Tag für Tag zur Arbeit zu pendeln — in meinem Fall von Köln nach Düsseldorf — hat nicht gerade viele Vorteile. Einer aber ist, dass ich mir dadurch die Zeit nehme, regelmäßig Podcasts zu hören. Mehr zumindest als es sonst wohl der Fall wäre. Genug ist es trotzdem nie, es gibt einfach zu viele gute Produktionen da draußen, und es werden immer mehr. Ein Grund, sich gar nicht erst mit diesem Thema zu beschäftigen, ist das natürlich nicht. Und so habe ich mal gesammelt, was ich gerne höre, welche Podcasts mir Verspätungen, überfüllte Abteile, Armlehnen-Besetzer*innen und Deo-Ignorant*innen und sogar den täglichen Halt in Leverkusen versüßen.
Allison Behringer: »The Intern«
Ich habe mich entschieden, vorne anzufangen. Mit dem Podcast, der sozusagen meine Einstiegsdroge war. Und der bis jetzt eine der besten Audioproduktionen ist, die ich gehört habe. Dass Allison Behringers »The Intern« so gut ist, hat dabei mehrere Gründe. Zum einen hat Allison eine echte Geschichte zu erzählen, die von ihrem Einstieg in die Arbeitswelt handelt, von ihren ersten Schritten in New York — und davon, wie US-amerikanische, männlich dominierte Medien-Startups ticken. Darüber hinaus aber begleiten wir sie in den acht Folgen auch bei ihrem Projekt, einem Podcast. »The Intern« ist dadurch so etwas wie ein Meta-Podcast, und den hat Allison Behringer nicht nur verdammt gut produziert, sie hat ihn auch vollgepackt mit Emotionen, cleveren Schnitten und ihrer einnehmenden Persönlichkeit. »She’s a natural storyteller«, schrieb ein*e Rezensent*in auf iTunes über Allison. Punkt.
Mark Rosewater: »Drive to Work«
Dass Menschen Podcasts auf dem Weg zur Arbeit hören, dürfte nicht selten vorkommen. Doch dass Menschen Podcasts auf dem Weg zur Arbeit produzieren, ist sicherlich die Ausnahme. Mark Rosewater aber nutzt regelmäßig die etwa halbstündige Fahrt in sein Büro in Renton — und kann dabei zum Glück auch nicht anders, als über seine Arbeit zu sprechen. Seit 1995 arbeitet er für »Wizards of the Coast«, der Firma hinter »Magic — the Gathering«, und seit 2003 ist er Chefdesigner des offiziell komplexesten Spiels der Welt. In »Drive to Work« nutzt Rosewater dabei sein immenses Wissen, um Hintergründe zu Regeln zu erläutern, über das Design des Spiels zu philosophieren, neue Karten oder Editionen vorzustellen oder über die oft irrwitzigen Abgründe seiner Arbeit zu sprechen. Zugegeben: ein auf den ersten Blick nischiger Podcast — doch bei mehr als 20 Millionen Magic-Spieler*innen weltweit relativiert sich das schnell wieder.
Nina »Fiva« Sonnenberg: »Reden ist Geld«
Eine der besten journalistischen Serien in Deutschland ist die Reihe »Reden wir über Geld« der Süddeutschen Zeitung. Doch Schule gemacht hat sie nicht, noch immer wird hierzulande viel zu wenig ehrlich und ausführlich über Gehälter, Reichtum und Armut, Bedürfnisse und die Bedeutung von Geld gesprochen. Das Online-Radio und Podcast-Label detektor.fm hat sich vorgenommen, das zu ändern — und produziert mit der Musikerin und Moderatorin Nina »Fiva« Sonnenberg den Podcast »Reden ist Geld«. In Folge 1 hatte Fiva den Musiker*innen-Kollegen Lotto King Karl zu Besuch — und einen besseren Gast zum Einstieg hätte es wohl kaum geben können. In weiteren Episoden will Fiva mit Kaufhaus-Erpresser Dagobert, dem Kunstfälscher-Ehepaar Beltracchi und andern Menschen sprechen, in deren Leben Geld eine besondere Rolle spielt. »Können wir nicht alle von mehr Offenheit beim Thema Geld profitieren?«, fragt der Sender auf seiner Seite. Nach dem ersten Eindruck kann die Antwort nur ein lautes Ja! sein.
Michael »Curse« Kurth: »Meditation, Coaching & Life«
Von Fiva zu Curse ist es nicht weit, beide machen deutschsprachigen Hip-Hop — und an dieser Stelle kommen die US-amerikanische Hip-Hop-Gruppe »A Tribe Called Quest« und ihr Album »Beats, Rhymes and Life« ins Spiel. Von dessen Namen nämlich hat Michael »Curse« Kurth den Namen seines Podcasts abgeleitet: »Meditation, Coaching & Life«. Curse, der nicht nur Musiker ist, sondern auch Buddhist und systemischer Coach, und der sich seit einigen Jahren intensiv mit Meditation beschäftigt, spricht darin über Dinge, die ihn bewegen und sein Leben bereichert haben — mit dem Wunsch, daß sie »auch euch Inspiration und Mehrwert bringen!« Das tun sie, und zwar vor allem deshalb, weil Curse sich seinen Themen zwar emotional und menschlich, aber nie esoterisch nähert. Weil er Ratschläge und Tipps gibt, ohne von sich zu behaupten, er habe für alles Lösungen parat — und als seien ernsthafte Probleme leicht und durch ein klein wenig Achtsamkeit zu lösen. Ein bodenständiger, warmherziger Podcast, auf den sich einzulassen lohnt.
Tijen Onaran: »How to Hack«
Noch eine Überleitung, die nicht schwer fällt: Gleich hinter den Ratschlägen und Tipps von Curse biegen wir scharf ab und landen — etwas businesslastiger, aber nicht weniger nutzwertig — bei Tijen Onaran und ihrem Business-Punk-Podcast »How to Hack«. Gesprächspartner*innen und Tippgeber*innen »für den persönlichen Erfolg im Arbeitsleben«, so Tijens Selbstbeschreibung, sind bekannte Gründer*innen, Macher*innen und Kreative. Sie sprechen mit der Unternehmerin und Moderatorin über Karriere und Produktivität, über Morgenroutinen und Work-Life-Balance, über Netzwerken und Entscheidungsfindung. »Und das Beste daran ist«, so verspricht Tijen im Opener jeder Episode, »dass es nicht nur einfaches Bla-Bla gibt, sondern handfeste Learnings«. In den meisten Fällen kann sie dieses Versprechen einhalten. Die Einblicke in den Arbeitsalltag von Menschen wie Linda Zervakis, Pia Frey, Sascha Pallenberg, Marcus John Henry Brown oder Magdalena Rogl sind selten banal und noch seltener stereotyp. Und an vielen Einstellungen zum Thema Karriere und Arbeit können sich Hörer*innen dazu noch prima reiben — gerade bei Reizthemen wie Work-Life-Balance oder Produktivität. Eine gute halbe Stunde, die sich lohnt.
Christoph Amend und Jochen Wegner: »Alles gesagt?«
Es gehört schon eine ganze Menge dazu, dabei zu bleiben, wenn Zeit-Magazin-Chefredakteur Christoph Amend und Zeit-Online-Chefredakteur Jochen Wegner sich knapp drei Stunden mit dem Grünen-Politiker Robert Habeck unterhalten. Oder fast vier Stunden mit der Kunstsammlerin Julia Stoschek. Oder knapp drei Stunden mit Sternekoch Tim Raue. Das klingt wie die Quentin-Tarantino-Version eines Podcasts — nur ohne Stunts und Gemetzel. Wären da nicht die Stunts, die Amend und Wegner eigenhändig in ihren Podcast »Alles gesagt?« einbauen. Wie zum Beispiel die Regel, dass jedes Gespräch genau so lange dauert, bis es der Interviewgast beendet. Oder das ein oder andere Glas Wein, dass die beiden mit ihren Gesprächspartner*innen trinken. Und eigentlich gehen die selbst durchaus auch als Stunt durch, denn Gäste, die Amend und Wegner langweilig finden, werden einfach nicht eingeladen. Und so entstehen Gespräche voller Witz und Tiefgang und so etwas wie der Longread der deutschsprachigen Podcast-Szene. Passt vielleicht nicht in eine reguläre Fahrt zu Arbeit, lässt sich aber auch prima in mehreren Etappe hören.
Eva Schulz: »Deutschland 3000«
Und noch eine logische Abzweigung. Denn von den beiden Zeit-Journalisten Amend und Wegner zu Eva Schulz führt ebenfalls nur eine kurze gedankliche Straße. Eva gehört, und mit dieser Meinung bin ich nicht alleine, ganz sicher zu den besten Journalist*innen Deutschlands — insbesondere wenn es um Audio und Video geht. Ihre Art, sich Themen auf persönliche Art zu nähern, ohne sich mit ihnen gemein zu machen, ihre Bereitschaft, auch unangenehme oder unbequeme Fragen anzusprechen und ihre Fähigkeit, eine generationenübergreifende Sprache zu sprechen, die sich niemandem anbiedert, aber auch niemand ausschließt — all das sind Alleinstellungsmerkmale. Und die kann sie mit dem Deutschland-3000-Podcast voll ausspielen, wenn sie jeweils eine gute Stunde mit Protagonist*innen wie Felix Jaehn, Kevin Kühnert, Collien Ulmen-Fernandes, Fynn Kliemann oder Lena Meyer-Landrut verbringen darf. Diese Mischung zeigt schon: Abwechslungsreich geht es in Deutschland 3000 auf jeden Fall zu.
Bianca Hauda: »Bestatten, Hauda«
»Kein Podcast über Sex, kein Podcast über Achtsamkeit, kein Podcast über Ernährung, über Sport, keiner über Politik oder über Musik, es ist kein Podcast über Reise, kein Podcast über Science-Fiction, und es ist auch keiner mit prominenten Menschen.« Mit »Reden ist Geld« haben wir schon eines von vielen Tabuthemen unserer Zeit berührt — mit Bianca Hauda nehmen wir jetzt ein noch größeres in den Blick: den Tod. In »Bestatten, Hauda«, einem Podcast, dessen Titel mir schon Respekt abverlangt, spricht sie mit Menschen, für die das Sterben zum Alltag gehört. Und das tut die Radio-Moderatorin, deren Sendungen übrigens ebenfalls zum Pflichtprogramm für Audiophile gehören, mit einer beneidenswerten Mischung aus Respekt und Respektlosigkeit, aus Witz und Wertschätzung. Und damit gelingt ihr ein Tabubruch der etwas anderen Art — der dazu führt, dass sich viele wünschen dürften, sie würde häufiger eine Folge produzieren. Und häufiger über das Sterben sprechen. So macht das … irgendwie Spaß.
Johannes Burr und Simone Hennemann: »Mindsnack«
Kommen wir zum Finale noch zu zwei »beruflichen« Podcasts — Produktionen also, die mir für den Alltag im Büro Inspiration und Input liefern. Johannes Burr und Simone Hennemann tun genau das bis zu zwei Mal im Monat mit ihrem »Mindsnack«, dem »Learning-Podcast« von Axel Springer. Dabei ist das Konzept eigentlich simpel: Die Moderator*innen laden sich Gäste aus dem Weiterbildungsprogramm des Medienkonzerns ein, die dann Insights zu Themen wie Leadership, Persönlichkeitsentwicklung oder Change-Management geben. Meist recht handfest und alltagsnah gelingt Johannes Burr und Simone Hennemann damit dennoch ein bemerkenswerter Spagat — zwischen einem Corporate Podcast, der natürlich das eigene Unternehmen in ein möglichst positives Licht rücken und damit auch Employer-Branding-Aufgaben übernehmen soll, und einem Format, dass den Hörer*innen, ähnlich wie bei Tijen Onaran, »handfeste Learnings« vermitteln soll. Übung gelungen.
Eva Marie Strauch: »Female Leadership«
Ähnlich konkret, aber mit anderem Fokus, produziert Eva Marie Strauch ihren Podcast. »Als Managerin habe ich über zehn Jahre in der Baubranche gearbeitet und mich in der Praxis intensiv damit beschäftigt, was es bedeutet, Führungsverantwortung zu tragen und in Persona für Veränderung zu stehen«, schreibt sie über sich selbst. »Als eine der ersten Frauen in der Branche wurde ich mit unter 30 Jahren Geschäftsführerin eines mittelständischen Bauzulieferers.« Eine Ausnahmekarriere, in der sie viel gelernt hat — und jetzt möglichst vieles weitergeben möchte. Und so hangelt sie sich von Folge zu Folge an Themen wie Networking, Sinn, Selbstbewusstsein, New Work oder Emotionen entlang. Immer mit Fokus auf »Female Leadership«, aber ganz sicher nicht nur für Hörerinnen. Im Gegenteil habe ich das Gefühl, dass von ihrem Blick auf die Arbeitswelt gerade männliche Mitarbeiter und Führungskräfte profitieren können. Denn Rollenbilder zu hinterfragen, ist ganz sicher keine ausschließlich weibliche Aufgabe.
Und jetzt seid ihr dran. Denn ja, es gibt da draußen eigentlich schon viel zu viele Podcasts und wir alle kommen nicht mehr wirklich hinterher mit dem Hören. Aber das heißt auch: Jetzt ist es eh egal. Also her mit euren Tipps in den Kommentaren!