Körper & Geist
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Tor! Oder nicht? Oder wie?

Erst acht neun Spielt­age sind in der Fußball-Bun­desli­ga gespielt. Doch schon wur­den drei reg­uläre Tre­f­fer nicht anerkan­nt — die Schied­srichter hat­ten den Ball nicht hin­ter der Tor­lin­ie gese­hen. Ein Plä­doy­er für die Torkamera.

Wer in diesem großen Sys­tem Bun­desli­ga, wer im DFB hat eigentlich wovor Angst? Seit Jahren sträuben sich Funk­tionäre, den beliebtesten Sport der Deutschen zu reformieren. Dabei zeigt allein der heutige let­zte Spielt­ag, wie drin­gend nötig das wäre. Ein Tor von Miroslav Klose in Lev­erkusen — laut Uli Hoeneß »min­destens einen hal­ben Meter« hin­ter der Lin­ie — wurde nicht gegeben. Dabei liegt die Lösung nahe, ein Blick über die Gren­ze nach Frankre­ich genügt. Denn dort find­et derzeit die Rug­by-Welt­meis­ter­schaft statt. Solch ein Fehler, wie er heute am ver­gan­genen Sam­stag Knut Kircher in der BayAre­na unter­laufen ist, passiert dort näm­lich ein­fach nicht.

Im Rug­by ist es ein wenig wie im Eishock­ey, neben den Unpartei­is­chen gibt es dort ein mit Kam­eras und Mon­i­toren aus­ges­tat­tetes Team, dass bei strit­ti­gen Entschei­dun­gen hil­ft. Ähn­lich­es kön­nte eine Torkam­era leis­ten. Doch immer wieder wird von Seit­en der Offiziellen einge­wor­fen, eine solche tech­nis­che Hil­fe unter­grabe die Autorität der Schied­srichter. Der Blick auf ein Rug­by- oder Eishock­eyspiel zeigt jedoch: Die Autorität eines Ref­er­ees hängt von nichts anderem ab als von seinem Umgang mit den Spielern.

Ein souveränes, aber höfliches »Thank you«

Nun ist das Schied­srichtern ohne­hin eine zutief­st men­schliche Sache — Fehler eingeschlossen. In Sportarten, in denen es inzwis­chen aber um Mil­lio­nen geht, sollte allen Ver­ant­wortlichen daran gele­gen sein, diese möglichst zu min­imieren. Denn mit Mil­lio­nen sind nicht nur Euro gemeint, son­dern auch Zuschauer, Fans, Jour­nal­is­ten. Wenn nun ein Bun­desli­ga-Schied­srichter darum fürchtet, eine Torkam­era kön­nte sein­er Autorität schaden, so sollte sein erster Weg vor den Spiegel führen, sein zweit­er vor den Fernse­her. Die sou­veräne, aber den­noch ele­gante Art, mit der im Rug­by Spiel­er auf ihre Fehltritte hingewiesen wer­den, ist selb­st im inter­na­tionalen Ver­gle­ich wohl einzigartig.

Das Verblüf­fend­ste aber ist die Höflichkeit, ist jedes »Thank you«, dass den Aus­führun­gen der Ref­er­ees fol­gt. Einem der­ar­ti­gen Ver­hal­ten kann die Kam­era gar nicht schaden, sie kann ihm nur als Rück­endeck­ung dienen. Und wer heute am ver­gan­genen Sam­stag das Spiel Aus­tralien gegen Kana­da gese­hen hat und die lan­gen Minuten, in denen das Team hin­ter den Kam­eras ihre Entschei­dung über einen Ver­such gefällt hat, vor dem Bild­schirm geblieben ist, wird das bestäti­gen. Vor allem die gelassene Art, mit der Schied­srichter Chris White seine Kol­le­gen auf­forderte: »Take your time« — Lasst euch Zeit.

Spieler dürfen Fehler machen, Schiedsrichter nicht

Das Argu­ment, auch diese Beweise kön­nten fehler­haft sein, ist kaum von der Hand zu weisen. Das Argu­ment, der eigentliche Schied­srichter gebe damit seine Macht aus der Hand, dur­chaus. Zumin­d­est dann, wenn es seine Entschei­dung wäre, den Videobe­weis anzu­fordern oder nicht. Und wer nun sagt, Spiel­er macht­en schließlich auch Fehler, das mache den Reiz des Spiels aus, der verken­nt anscheinend den großen Unter­schied zwis­chen ihnen und dem Schied­srichter. Denn während Spiel­er —mit Aus­nahme ihrer Arbeitsverträge, die aber kein Prob­lem des DFB sein dür­fen — nicht zu fehler­freiem Spiel verpflichtet sind, ist das bei Schieds- und Lin­ien­richtern grundle­gend anders. Ihr Job ist es eben, unpartei­isch und möglichst ohne Beein­träch­ti­gung ein­er Mannschaft — was im Grunde nichts anderes bedeutet als möglichst fehler­frei — das Spiel zu leiten.

Bei dieser Gele­gen­heit wer­fen wir doch gle­ich noch einen Blick auf andere Details dieses schö­nen Sports und seine kleinen Män­gel. Alleine zwei davon kön­nten sich beseit­i­gen lassen, wenn der DFB sich am erfol­gre­ich­sten deutschen Mannschaftss­port ori­en­tieren würde: Feld­hock­ey. Denn dort ist Inter­chang­ing seit Jahren schon erlaubt — was auch Prob­lem­fällen wir Bas­t­ian Schwe­in­steiger oder Lukas Podol­s­ki wieder auf die Beine helfen kön­nte —, und das Abseits, eine Regelung, die das Spiel langsam, unat­trak­tiv und um min­destens drei Tore ärmer pro Par­tie macht, ist lange abgeschafft.

Update: Unterstützung durch die FA

Wie erwartet, haben wir bere­its kurz nach Veröf­fentlichung dieses Artikels Unter­stützung für unser Vorhaben bekom­men. Wie der Sport­in­for­ma­tions­di­enst »sid« meldet, hat sich nun auch der englis­che Fußball-Ver­band FA für die Ein­führung von Torkam­eras aus­ge­sprochen. Man renne dem Weltver­band und der Europäis­chen Fußball-Union schon seit Jahren »die Türen ein« mit der Bitte, den Schied­srichtern tech­nis­che Hil­fe bei strit­ti­gen Entschei­dun­gen zu gewähren, sagte der FA-Geschäfts­führer Bri­an War­wick. Es sei zwin­gend notwendig, dass man noch während des Spiels erfahre, »ob der Ball hin­ter der Lin­ie war, oder nicht«. Später bringt schließlich auch immer nur Ärger.

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