Dass auch Protestanten, allen voran die Lutheraner, die Beichte kennen, wissen nicht viele Menschen. Doch als Pfarrerssohn ist sie mir dadurch durchaus vertraut, obwohl ich selbst noch nie das Bedürfnis hatte, einem Seelsorger gegenüber meine Sünden zu bekennen. Um Sünden soll es nun aber auch gar nicht gehen, auch wenn Asal ihren Blogpost mit »Beworfen und Gebeichtet« überschrieben hat.
Wer damit angefangen hat, ist kaum wichtig, ebenso wenig wie die Tatsache, dass sich dieses Stöckchen offensichtlich ziemlich verändert hat, seit es unterwegs ist. Im Kern aber geht es um Fakten, darum, »feste Schuhe anzuziehen, drei Mal auf den Tisch zu klopfen und ein paar Geständnisse zu machen«. Ein paar heißt: sieben. Also dann.
Leggins »If I had the power, I would ban leggings«, sagt Jil Sander. If I had the power, I would ban Jil Sander, sage ich. Wie wenig Ahnung von Mode, wie wenig Gespür für Proportionen, für das Verhältnis zwischen Ober- und Unterkörper, enganliegend und weit, für Umriss und Fläche muss man haben, um nicht zu sehen, dass Leggins in der richtigen Kombination ein wundervolles Kleidungsstück sind? Ein Kleidungsstück, auf das vermutlich Millionen von Männern neidisch sind, weil die meisten von ihnen es nicht tragen können. Nicht tragen sollten. Frauen aber können es. Und sie sollten es. Wer ist schon Jil Sander?
Dreiteiler Ich habe stundenlange Gespräche in WG-Küchen und auf Studenten-Parties verfolgt, ohne eine Ahnung zu haben, worüber die Menschen da reden, habe sie vom Türken und von Don Vito schwärmen hören, von den Orangen, und davon, dass Frauen in Sizilien gefährlicher sind als Schießeisen. Und ich habe geschwiegen. Um nicht ins Abseits zu geraten. Ich kannte nicht jedes Zitat auswendig, konnte nicht jede Szene nachspielen, bis heute habe ich es abgelehnt, das Angebot, das man nicht ablehnen kann — und sie nicht gesehen, die für manche beste Trilogie der Filmgeschichte. Für mich sind die drei Teile von »Der Pate« drei große Unbekannte. Und ich weiß nicht mal, warum. Aber jetzt ist es endlich mal raus.
Notizen Das Notizbuch, das Kreative immer dabeihaben und in dem sie Gedanken, Skizzen und Ideen festhalten, ist eine Art Stilikone, selbst in Zeiten von Smartphones und Tablets. Oder vielleicht gerade in diesen Zeiten. Es ist Ausdruck einer Haltung, ein Statement zum Handschriftlichen, zum Literarischen. Es ist Inbegriff des Guten, des Wahren und des Schönen. Ich selbst habe schon etliche solcher Hefte besessen, sei es für die Recherche oder für meine Ideen. Und immer habe ich sie nach kurzer Zeit gehasst. Nie sahen sie so exzessiv aus wie die in David Finchers »Se7en«, so beiläufig schön wie in Pierre Salvadoris »Hors de prix«, so gediegen wie in Gary Hustwits Dokumentation »Helvetica«. Sie sahen bloß banal aus, die Ideen darin waren banal, die Handschrift war meine, was hieß, dass ihr das durchgängig Markante fehlte. Und doch habe ich solche Hefte immer wieder angefangen, um vielleicht irgendwann ein paar Dutzend davon im Regal stehen zu haben, als Ausdruck einer Haltung, als Statement zum Handschriftlichen, zum Literarischen. Als Inbegriff des Guten, des Wahren und des Schönen. Doch es sollte nicht sein. Mehr als ein paar Seiten habe ich in keinem füllen können. Noch nicht.
Pfeifen Irgendwo tief in mir drin wohnt ein kleines, gehässiges Männchen. Eins, das nichts hält von der Geduld und vom Gleichmut, das nicht ignorieren kann und nicht verzeihen. Dieses Männchen hasst die Welt und die Menschen — vor allem aber hasst es Menschen, die pfeifen. Erst letzte Woche hat es sich wieder gemeldet, lautstark, in der Schlange vor dem Zoll in San Francisco, in der wir etwa anderthalb Stunden gemeinsam verbracht haben. Es hat den Kopf gereckt, um zu sehen, welcher Trottel da wenige Meter hinter uns vor sich hin pfiff, ganz leise, aber penetrant, Melodien aus »Carmina Burana« und »Starlight Express«, aus der »Zauberflöte« und dem »König der Löwen«. Anderthalb Stunden lang, so leise, so penetrant, mit einem gekünstelten Vibrato und einem dummdreisten Gesichtsausdruck, das dem kleinen Männchen die Zornesröte ins Gesicht trieb. Es waren anderthalb Stunden, in denen wir uns ausnahmsweise mal einig waren, in denen ich nicht versucht habe, dieses ungehobelte Kerlchen zur Ruhe zu bringen. Man sagt, böse Menschen kennen keine Lieder. Wenn es ums Pfeifen geht, ist das ganz sicher eine Lüge.
Oben Eigentlich sehe ich gerne nach oben. Oben, da ist der Himmel, da sind die Wolken, die Sonne. Von oben höre ich im Sommer die Motorflugzeuge mit ihrem sonoren Brummen, höre die Vögel, die in den Bäumen sitzen, und den Wind. Oben ist Freiheit. Doch da oben, da sind auch die Köpfe der Menschen, die größer sind als ich. Die mir das Gefühl geben, klein zu sein. Die mich verunsichern. Zu ihnen sehe ich nicht gerne hinauf. Stattdessen merke ich, wie ich den Blickkontakt meide, wie ich versuche Abstand zu halten. Könnte ich liegen, wie auf einer Wiese, als würde ich den Himmel beobachten, die Wolken, die Flugzeuge, es würde mir leichter fallen. Doch auf viele Menschen macht das einen schlechten Eindruck. Leider. Eigentlich nämlich sehe ich gerne nach oben.
Alles oder nichts Es ist selten eine gute Idee, im Internet nach medizinischen Informationen zu suchen. Auch in meinem Fall nicht. »Im Besitzen-Wollen von Sammlerstücken drückt sich eine Machtdemonstration und das Beherrschen-Wollen aus«, steht da. »Menschen, die von ihrem Alltag überfordert sind, flüchten oft ins Sammeln, weil sie sich dort, auf einem eingeschränkten und überschaubaren Betätigungsfeld, bewähren können. Auch die Angst vor sozialen Kontakten kann zu einem Rückzug und zu einer bevorzugten Beschäftigung mit Gegenständen führen.« Und: »Dem Sammeln und Horten kann auch eine unbewusste Angst vor Mangel zugrunde liegen, die mit dem Sammeln kompensiert werden kann.« Doch ich finde mich nicht wieder in solchen Sätzen, vielleicht, weil es mir weniger um das Sammeln geht als um den Wunsch nach Vollständigkeit. Eine einmal begonnene Buchreihe hat nur eingeschränkten Wert, bis der letzte Band im Regal steht. Einzelne Musiktitel statt des ganzen Albums zu kaufen, ist mir zuwider, fehlt ihnen doch der Kontext. Und einen Kaffeebecher, der einen Sprung hat oder eine Macke, möchte ich austauschen. Dabei interessiert mich nicht, ob bestimmte Dinge selten sind, ob sie im Wert steigen könnten, ob ich durch sie Gleichgesinnte finde. Kein Sammler interessiert sich für meine Bücher, meine Musik, die Kaffeebecher. Zum Glück. »Es war nicht das Gefühl der Vollständigkeit, das ich so sehr brauchte, sondern das Gefühl nicht leer zu sein«, heißt es in Jonathan Safran Foers »Alles ist erleuchtet«. Für mich gilt das genaue Gegenteil.
Alvinolagnia Ich erinnere mich an einen Abend in Leipzig, wir saßen zusammen mit Freunden und Kollegen, hatten ein paar Bier getrunken und das Gespräch begann langsam, sich um Erotisches zu drehen. Es ging um Füße und Brüste, um Hände und Augen, um alles, was Menschen an anderen Menschen anziehend finden können, was für sie zum Fetisch werden kann. Und ich erinnere mich an meine Antwort auf die Frage, »worauf ich stehe«, was denn mein Fetisch sei. »Bäuche«, sagte ich und hätte in diesem Moment gerne ein wenig von dem Kopfkino mitbekommen, das sich in der Runde abgespielt haben muss. Doch mit welchem Begriff sonst soll man den wundervollsten Teil des menschlichen Körpers beschreiben, den zwischen Brust und Hüfte? Es ist eine der großen Schwächen der deutschen Sprache, dass sie kein Wort dafür kennt, das nicht nach zu viel Bier klingt, nach Übergewicht, nach sich spannenden Unterhemden. Allein deshalb schon wäre ich gerne im Englischsprachigen aufgewachsen. Das Englische kennt nicht nur den charmanten »belly«, es kennt auch die »Alvinolagnia«. Mit der ich übrigens alles andere als alleine bin.
Und jetzt? Jetzt würde mich ja schon interessieren, was uns Das Nuf, Eva, Jörgen, Konni, Marcus, Ninia oder Sarah Maria so zu beichten haben. Für irgendwas muss das hier ja gut sein.
Gerade gesehen — Beichte kommt bald :).
:-)
Ich wäre dann nun endlich auch mal so weit: https://sarahmaria.de/mein-erster-stock-im-blog/ ;)
Yeah! Und auch noch so ausführlich …! :-)