Nach wie vor ist der Internet Explorer der meistgenutzte Browser der Welt. Selbst durch regelmäßig entdeckte Sicherheitslücken wackelt sein Thron nur, aber er steht. Nun traut sich ein IE-Fan an die Öffentlichkeit, wenn auch anonym. Nils Severin (Name geändert) spricht mit Trotzendorff über sein Faible für Redmond, Sicherheitslücken, Open Source und mitleidige Blicke.
Trotzendorff: Sie schwören seit Jahren auf den Internet Explorer. Irgendwann schonmal eine Alternative ausprobiert?
Nils Severin: Das mag ignorant klingen, aber: Nein. Zumindest nicht bei der privaten Nutzung, wo ich die Wahl habe. Alternativen kommen für mich nicht in Frage, weil ich mit dem Internet Explorer vollkommen zufrieden war und bin.
Sie verteidigen dieses Produkt ja auch gerne gegen Kritik. Wann sind Sie das letzte Mal öffentlich für Ihre Überzeugung beschimpft worden?
Noch nie. Ich ernte zwar gelegentlich Kopfschütteln von engagierten Firefox‑, Opera- oder Safari-Anhängern. Denen vom Internet Explorer vorzuschwärmen ist ein bisschen, als würde man vor einem Kegelclub stehen und erzählen, dass man keinen Alkohol mag. Es gibt dann mitleidige Blicke, aber keine Beschimpfungen. Wenn, dann beschimpfe ich mich selbst. Ich gebe offen zu: Ich bin die Hure von Microsoft.
Ist man die ständige Kritik nicht irgendwann leid?
Damit komme ich gut klar. Denn ich habe, neben den Stärken des Internet Explorers, noch ein gutes Argument auf meiner Seite: Vielen Computernutzern geht es bei Betriebssystem, Browser oder Mailprogramm schlicht darum, dass sie einfach zu bedienen sind und verlässlich funktionieren. Das ist keine Glaubensfrage. So ist es für mich auch. Obwohl es natürlich Spaß macht, in der Nerd-Community der Irre zu sein, der Microsoft preist. Ich schwöre auch auf das MS Office und auf Outlook. Die MS-Office-Programme sind meiner Ansicht nach der beste Beweis für die Überlegenheit Microsofts. Diese Firma ist ja nicht durch ein Naturgesetz zum Monopolisten geworden, sondern weil sich eben ihre Produkte durchgesetzt haben. Das hat nicht Bill Gates gemacht, sondern die Kunden haben entschieden.
Der Internet Explorer ist eigentlich nicht mehr als eine einzige große Sicherheitslücke. Ich nehme mal an, Sie machen es sich einfach und speichern keine privaten Daten auf Ihrem Rechner?
Doch, ich bin so wagemutig. Und ich hatte noch nie Probleme mit Viren, Trojanern oder sonstigen Attacken. Zudem halte ich es da in der virtuellen Welt wie in der echten: Wenn man überall Gefahren wittert, wird man irre. Man sollte natürlich in einem vernünftigen Maße vorsichtig sein, aber man kann sich nie hundertprozentig schützen. Auf ständige Updates, Backups und Addons habe ich keine Lust. Wenn es meinen Rechner erwischt, sind ein paar Sachen eben futsch. Aber bisher ist das noch nie passiert. Auch ohne dass ich jeden Abend ein Stoßgebet an Bill Gates schicken muss.
Selbst der neueste Internet Explorer zeigt Internetseiten oft zerschossen an. Macht da surfen noch Spaß?
Meine Erfahrung sieht anders aus: Die meisten Seiten sind für den Internet Explorer optimiert, weil das der Browser ist, den die meisten User verwenden. Zerschossene Seiten erlebe ich deshalb eher mit anderen Browsern, wenn ich diese notgedrungen einmal verwenden muss.
Die aktuelle Version 7 besteht den Acid2-Test nicht, die Beta-Version des IE 8 scheiterte beim Acid3-Test. Microsoft verweigert sich also ganz klar Webstandards. Wann verweigern Sie sich Microsoft?
Ich habe keine Ahnung, was ein Acid-Test ist. Und ich bin gegen Drogen.
Für mich wirkt das Surfen mit dem Internet Explorer immer wie Fahren im Stau. Nicht auch mal Lust, Gas zu geben?
Isch aabe gar kein Auto. Aber im Ernst: Mit der Geschwindigkeit des Internet Explorers bin ich völlig zufrieden. Zumal meine Nutzergewohnheiten ohnehin eher so sind, dass ich länger auf einer Seite bleibe und nicht ständig hin und her surfe. Ob sich diese Seite dann in 1,4 oder 0,8 Sekunden aufbaut, ist mir völlig schnuppe.
Kommen wir zum Thema Open Source?
Bloß das nicht!
Microsoft sträubt sich nach wie vor gegen dieses — in anderen Fällen äußerst erfolgreiche — Konzept. Keine Community, kein Leben, könnte man meinen. Ist der Internet Explorer also ein totes, seelenloses Produkt?
Ich erwarte von einem Browser keine Seele. Mir ist auch egal, wie lebendig Microsoft ist — solange die Leute dort noch genug Vitalität haben, um brauchbare Programme auf den Markt zu bringen. In der Tat ist die Open-Source-Politik aber fragwürdig. Ich verstehe, wenn ein Unternehmen sein geistiges Eigentum nicht verschenken will. Andererseits könnte vielleicht auch Microsoft — und vor allem seine Kunden — profitieren, wenn es sich für das Konzept öffnen würde. Aber zu sagen: Das haben wir uns ausgedacht (oder aber: Das haben wir gekonnt geklaut und zu einem Welterfolg gemacht), und dafür wollen wir auch bezahlt werden — das ist legitim. Außerdem macht es die Sache für Entwickler einfacher, wenn sie ihre neuen Seiten nicht für zig Browser oder tausende Versionen optimieren müssen. Wer für den Internet Explorer programmiert, hat schonmal einen großen Teil der Web-Kundschaft abgedeckt.
Microsoft wird immer wieder Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung vorgeworfen, da es den Internet Explorer an das Windows-Betriebssystem bindet. Wie fühlt man sich als Kunde eines Unternehmens mit einer solchen Firmenpolitik?
Gut. Für mich macht das Sinn. Wie gesagt: Ich möchte ein praktikables Betriebssystem und einen funktionierenden Browser, die Kombination aus Windows und dem Internet Explorer bietet mir das. Dass Unternehmen wachsen wollen, ist normal. Das gilt für Microsoft genauso wie für all seine Konkurrenten. Hätten die zur selben Zeit so gute Produkte auf den Markt gebracht und das Ganze so gut vermarktet wie Microsoft, dann wären sie heute in einer so starken Position. Vielleicht werden sie es in Zukunft tun. Mir geht es nicht um eine Vormachtstellung, sondern um möglichst innovative und praktikable Lösungen für die User. Wenn die jemand anders hat und sich damit durchsetzt: auch gut.
Gerade Firefox-Nutzer schwärmen ja von all den Möglichkeiten, etwa durch Plugins den Browser zu individualisieren und zu perfektionieren. Ganz ehrlich: Schaut man da nicht neidisch aus der Wäsche?
Individualisieren? Solche Leute hängen sich wahrscheinlich auch einen Fuchsschwanz an die Antenne oder malen ihr Handy an. Da hält sich mein Neid in Grenzen.
Schön beschrieben, solche Menschen gibt es in der Tat, selbst Leute die sich mit PCs auskennen vertreten diese Sichtweise. Auf der anderen Seite könnte man Microsoft mit Apple, Windows mit OS X und IE mit Safarie austauschen und der Text hätte immer noch seine Gültigkeit. Nicht viel anders wäre es, wenn man Windows durch Linux, IE durch Firefox, Office durch OOo ersetzt. Letztendlich ticken alle Computernutzer gleich, unabhängig vom OS, dem Browser oder der Office-Software.
PS: IBM OS2/4 rulez ;-)
Musste etwas über das «Solche Menschen gibt es in der Tat» schmunzeln. Ich kenne «Nils Severin» persönlich. ;-) Dieses Interview ist so ganz real geführt worden.