Ein Reporter des ARD-Senders EinsPlus wurde von seiner Redaktion über das Gelände von Rock am Ring geschickt, um zehn Frauen zu finden, die ihm ihre Brüste zeigen. Das ist, in einem Satz, worüber ich mich vor fünf Wochen aufgeregt habe. Und: Ich habe mir einige Fragen gestellt, öffentlich, und versucht, eine offizielle Reaktion der ARD, des SWR (der EinsPlus verantwortet) oder der Redaktion zu bekommen — per E‑Mail, über Twitter und über Facebook. Nun hat es geklappt. Gestern schrieb mir Alexander von Harling, beim SWR Leiter der Abteilung «EinsPlus / Digitale Projekte» und somit Programmchef des Digital-Senders. Er hat mir, wofür ich ihm danke, erlaubt, sein Statement hier zu veröffentlichen.
vielen Dank für Ihr hartnäckiges Nachhaken — tatsächlich war Ihre eMail zwar angekommen, angesichts anderer Projekte aber aus dem Blick geraten. Ich bitte um Entschuldigung dafür.
Sie stellen in Ihrem Blogpost Fragen, die sich ähnlich sowohl andere ZuschauerInnen als auch wir in der Redaktion gestellt haben. Die Reporter-Einspieler in der Live-Übertragung des Festivals Rock am Ring haben junge KollegInnen, überwiegend Volontäre und Volontärinnen des SWR erstellt. Auf Ihre Frage nach den redaktionellen Bedingungen, unter denen der Auftrag erging: Er erging wie alle unter der allgemeinen Maßgabe, die Festival-Stimmung auf dem Gelände zu transportieren — in diesem konkreten Fall eben die sexuell aufgeladene Stimmung, die sich am Ort mitunter in ungleich drastischerer Weise zeigt als in dem kritisierten Film. In der Abnahme wurde die Darstellung nach einiger Diskussion als so harmlos und die beteiligten Frauen als selbstbewusst genug wahrgenommen, dass der Film (weit nach Mitternacht) gesendet wurde. Dass der Reportage-Ansatz mit der konkreten Aufforderung, sich nackt zu zeigen, gleichwohl kein gelungener war, darin stimme ich Ihnen zu. Hier fehlte leider jeglicher kritisch-reflektierende Moment. Das war Thema der anschließenden Sendungskritik und wurde so von den verantwortlichen RedakteurInnen und dem Autor angenommen — auch, weil nicht der undifferenzierte Vorwurf von »plumpem Sexismus« erging, den sie weit von sich weisen würden. So konnten wir uns darauf verständigen, dass es sich um redaktionelle Entscheidungen und eine filmische Darstellung handelte, die wir nicht wiederholen werden. Nicht mehr, nicht weniger.
Mit freundlichen Grüßen,
Alexander v. Harling
Vielleicht einige kurze Anmerkungen zu dieser Reaktion: Mich freut die Aussage, dass dieser Beitrag keine Wiederholung finden wird, und ich nehme ebenso positiv zur Kenntnis, dass der Einspieler auch redaktionsintern kritisch diskutiert wurde. Meinen Vorwurf des plumpen Sexismus jedoch halte ich auch nach dieser E‑Mail für alles andere als undifferenziert, zumal Alexander von Harling selbst einräumt, es habe dem Beitrag an jeglichem kritisch-reflektierenden Moment gefehlt. Und vielleicht noch ein letzter Satz zum Ziel des Einspielers, die »sexuell aufgeladene Stimmung« einzufangen, »die sich am Ort mitunter in ungleich drastischerer Weise zeigt«. Sicherlich ist diese Stimmung auf Festivals ein spannendes Thema, und ich hätte mich sehr gefreut, endlich einmal einen gut gemachten Beitrag dazu zu sehen. Vergleiche aber, die im Kern auf die Aussage »So schlimm ist das doch gar nicht, denn es gibt ja noch viel Schlimmeres« hinauslaufen, sind für mich Ablenkungsmanöver. Am Ende bleibt es dabei, dass ein männlicher Reporter Festivalbesucherinnen dazu aufgefordert hat, sich teilweise auszuziehen, und dass dieses Verhalten nicht nur selbst sexistisch ist, sondern auch gefährliche Stereotype betoniert. Dennoch, Herr von Harling: Danke für die Stellungnahme. Ich freue mich, dass ich nun etwas mehr über einen Fernsehbeitrag weiß, der mich lange beschäftigt hat und das sicherlich auch noch ein wenig länger tun wird.