(Update) Um es vorweg zu sagen: Dies kann noch kein Fazit sein. Nur ein erster Eindruck, vom ersten Tag beim Medientage Mitteldeutschland. «Verändern und Verantworten» heißt das Motto, von Veränderung habe ich heute noch nicht viel gehört, lediglich das Wort «Bedrohung» fiel im Zusammenhang mit dem Internet des Öfteren. Doch wenn «Verantworten» in diesem Fall etwas mit Bewahren des Status Quo zu tun hat, gibt es nicht wenige, die das Ziel der drei Tage wohl schon erreicht haben. Zwei Panels, in Leipzig heißt das noch «Diskussionen», habe ich mir angehört («Politiker und Journalisten — Wie wirken Zahlen und Stimmungen in der Krise?» und «Jugendliche in neuen Medienwelten — Wohin geht die Jugend?»), vielversprechende Titel bei beiden inklusive, einen muffigen Nachgeschmack auch.
Eines ist deutlich geworden, bei beiden Veranstaltungen: Geht es um Medien, nehmen viele Kollegen noch zu oft die Beobachterposition ein. Beispiel Internet (Den Inhalt der gesamten Diskussion wiederzugeben, überlasse ich dpa): Auf Podium 1 wurde sich erfolgreich vom Kernthema entfernt und noch einmal der Versuch gestartet, den Wahlsieg Barack Obamas zu erklären, natürlich kam die Sprache auf das Internet, das Wort «Twitter» aber habe ich in zwei Stunden nicht einmal gehört. Dafür einen Johann Michael Möller, seit 2006 MDR-Hörfunkdirektor, der immer noch zu glauben scheint, es gebe in Sachen Internet für die Medien eine Option — Mitmachen oder nicht. Oder einen Stanislaw Tillich, Ministerpräsident von Sachsen, der «diese Internetblogs» anführt und alleine schon mit der Wortwahl eindrucksvoll seine Distanz zum Thema demonstriert. Ganz zu schweigen von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der — wenigstens ehrlich — herausposaunt, das Internet sei ihm zunächst einmal herzlich egal. Da wundert es nicht, dass das Podium (zu dem neben den drei genannten Bernd Hilder von der Leipziger Volkszeitung, Renate Künast von den Grünen und Patrik Schwarz von der Zeit gehörten) zu dem offensichtlich einhelligen Schluss kommt, ein Wahlkampf wie der Obamas sei in Deutschland kaum möglich. Dass das jedoch auch mit solchen Defiziten zu tun haben könnte, wurde nicht erwähnt.
Die zweite Diskussion schien auf den ersten Blick spannender, auch, weil der Medientreffpunkt damit wirbt, die Jugend sei nicht nur Thema, sondern vor Ort und beteiligt. In diesem Fall aber war sie nur Objekt. Da wird eine nicht unbedeutende Studie vorgestellt (Das Medienkonvergenz Monitoring der Uni Leipzig), das Ganze ähnelt jedoch eher einem Zoo, in dem durch ein Gitter Tiere begafft werden, an die man sich in freier Wildbahn nicht herantraut. Die Macher der Studie trauen sich durchaus, der Querschnitt der Medientage aber spiegelt — zumindest am ersten Tag — eher die gesamtgesellschaftliche Altersstruktur wieder. Jugendliche auf dem Podium? Fehlanzeige. Im Publikum einige wenige, eine Diskussion aber ermöglicht auch das nicht, und das, obwohl wir nicht erst seit der re:publica’09 wissen, dass diese Thema viel Stoff für Debatten liefern könnte. Und auch die Studie würde genug Punkte liefern, allein schon, dass einige der Befragten Jugendlichen das Portal «YouPorn» nicht nur kennen (»Also YouPorn kennt jeder»), sondern auch aktiv nutzen (Für immerhin, oder nur, 0,1 Prozent, ist sie sogar die wichtigste Plattform). Oder, dass Netzwerke wie StudiVZ für viele Jugendliche scheinbar einen abgeschlossenen — und damit vermeintlich sicheren — Raum darstellen und keine öffentliche Zone. Ganze Blogs ließen sich zu den daraus resultierenden Fragen aufmachen, vielleicht sollte ich das mal angehen. Doch eine Diskussion mit den «Betroffenen»? Fehlanzeige. Möglich jedoch, dass sich da morgen einiges ändert, diverse Veranstaltungen, die beim «Treffpunkt Mediennachwuchs» angekündigt sind, versprechen da einiges. Sogar das Thema Internet und Schule respektive Eltern soll zur Sprache kommen.
Ein Fazit? Gibt es Mittwoch. Heute nur soviel, um einmal zu vergleichen, was sich nicht vergleichen lässt (das mach ich ja immer gerne): Mit dem Hashtag #rp09 fanden sich bei Twitter rund um die re:publica’09 tausende von Tweets, sogar unter die «Trending Topics» hatte es das Tag geschafft. Zum Tag #medientreffpunkt (ein eigenes Hashtag hat die Veranstaltung glaube ich nicht), finde ich bisher 33. Und zwei davon sind von mir. Und ich hatte extra noch mein Poken mitgenommen.
(Update) Dass übrigens — und das ist mir heute beileibe nicht zum ersten Mal aufgefallen — bei von älteren Herren dominierten Runden immer dann, wenn eine Frau darauf, besteht, ausreden zu dürfen, kollektiv süffisant geschmunzelt wird, finde ich — gerade als Mann — ausgesprochen widerlich.
(Update 05.05.2009): Ich wurde heute auf dem Medientreffpunkt gleich von zwei Menschen darauf hingewiesen, Herr Möller habe das mit dem Internet so nicht gesagt, da müsse ich ihn falsch verstanden haben. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich ja auch nicht gesagt habe, er habe das so gesagt, da müsse man mich falsch verstanden haben. Ich hätte ihn aber auch einfach mal fragen können, ob ich das, was er gesagt hat, denn auch richtig verstanden habe. Aber wir Blogger haben es ja, anders als wir Journalisten, mit der Recherche auch nicht immer so. Da müssen wir dran arbeiten, sehe ich ein.
Vielen Dank für den Bericht! Ich bin besonders gespannt darauf, was du später vom «Treffpunkt Mediennachwuchs» erzählen wirst, weil ich das Thema sehr spannend finde. Hoffentlich werden dort auch Jugendliche vertreten sein, so wie du es forderst. Falls ja, hoffe ich aber, dass diese nicht nur dazu da sind, das Klischee von der verblendeten Internetjugend zu verkörpern, die vorm StudiVZ-Bildschirm sitzt anstatt mit Freunden zu spielen. Wir können nämlich auch ganz anders.
Der erste Eindruck einer Kollegin, die sich den Treffpunkt Mediennachwuchs für news.de heute angeschaut hat: Wenig Jugendliche. Aber wir werden sehen, auch morgen ist da noch ein Tag, sie wird was drüber schreiben, ich leider nicht, von daher muss ich mein Versprechen da zurückziehen – der Redaktionsalltag holt mich morgen wieder ein. Aber ich verlinke gerne auf das, was sie darüber macht. Ach ja, zu den Klischees: Dass «Ihr» anders könnt und «wir» das gerne mal außen vor lassen, haben wir ja schon auf der re:publica’09 gesehen. ;-)
Sehr interessant, danke für den Hinweis auf die Studie! Hab ich mir gleich mal runtergeladen. Allerdings war ich vom «Fazit» der Autoren etwas enttäuscht. Was Risiken der Videoportalnutzung angeht hoffe ich, die forschen/analysieren noch ein bißchen weiter. Ist doch sehr pauschal.
@Not quite like Beethoven: Das stimmt. Ich will aber mit dem Professor des Lehrstuhls auch noch ein weiterführendes Interview machen. Da sag ich gerne mal Bescheid, wenn das fertig ist.
«Oder, dass Netzwerke wie StudiVZ für viele Jugendliche scheinbar einen abgeschlossenen — und damit vermeintlich sicheren — Raum darstellen und keine öffentliche Zone. Ganze Blogs ließen sich zu den daraus resultierenden Fragen aufmachen, vielleicht sollte ich das mal angehen.»
Gibt es schon:
http://www.hans-bredow-institut.de/webzweinull/
:-)
Und ich dachte schon, ich müsste das machen. ;-) Danke für den Link, schau ich mal rein.